Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Aber interessant. Der Regen hat ein paar Leichen freigelegt, die unweit der Stelle eingescharrt waren, wo man John Tschen gefunden hat.«
Die anderen waren nähergekommen. »Die Werwölfe?« George Ttschung war geschockt. »Noch mehr Opfer der Kidnapper?«
»Wir nehmen es an. Es sind zwei junge Chinesen. Dem einen hat man den Schädel eingeschlagen, dem anderen wurde beinahe der Kopf abgehackt.«
»O Gott!« Der junge George Ttschung wurde bleich.
Smyth nickte bitter. »Haben Sie etwas von reichen Söhnen gehört, die entführt wurden?«
Alle schüttelten den Kopf. »Das überrascht mich nicht«, meinte Smyth. »Es ist dumm von den Familien der Opfer, mit den Kidnappern direkt zu verhandeln und die Polizei im dunkeln tappen zu lassen.«
»Wollen Sie die Leichen zurückfliegen?«
»Nein, nein, Tai-Pan. Wir wollen nur ein paar Leute vom CID herholen, damit sie die Spuren sichern, bevor es wieder zu regnen anfängt. Wir müssen versuchen, die armen Kerle zu identifizieren. Können Sie gleich losfliegen?«
»Gewiß.«
»Danke. Entschuldigen Sie die Störung!« Smyth nickte höflich und ging zu seinem Wagen zurück.
George Ttschung war sichtlich betroffen. »Diese Schweine, diese Werwölfe sind für uns alle eine Gefahr – für mich, für Sie, für meinen alten Herrn, für alle! Wie können wir uns nur vor ihnen schützen?«
Dunross antwortete mit einem Lachen. »Keine Bange, wir sind unverwundbar, wir sind alle unverwundbar!«
3
10.01 Uhr:
Im Halbdunkel des Zimmers läutete das Telefon und schreckte Bartlett aus dem Schlaf. »Hallo?«
»Guten Morgen, Mr. Bartlett, hier spricht Claudia Tschen. Der Tai-Pan läßt fragen, ob Sie heute den Wagen brauchen.«
»Nein, nein, danke!« Bartlett warf einen Blick auf seine Uhr. »Mein Gott«, murmelte er, überrascht, daß er so lange geschlafen hatte. »Danke, Miss Tschen!«
»Der Flug nach Taipeh ist für nächsten Freitag angesetzt. Freitag hin, Montag mittag zurück. Paßt Ihnen das?«
»Ja, ja, sicher.«
»Vielen Dank!«
Bartlett war erst um vier Uhr früh ins Bett gekommen. Orlanda war gestern abend mit ihm nach Aberdeen gefahren, wo sie ein Vergnügungsboot gemietet und sich durch die Kanäle hatten treiben lassen. Der Regen hatte es noch gemütlicher gemacht in der von einem Kohlebecken erwärmten Kabine, das Essen war heiß und gut gewürzt gewesen.
»In Schanghai kochen wir mit Knoblauch, Paprika, Pfeffer und allen möglichen Gewürzen«, hatte sie ihm erklärt, während sie ihm mit ihren Eßstäbchen vorlegte. »Je weiter man nach Norden kommt, desto heißer wird das Essen, desto weniger Reis und desto mehr Brot und Nudeln werden gegessen. Der Norden ist ein Weizenland, in Südchina wird Reis gepflanzt. Noch ein Häppchen?«
Er hatte gut gegessen und dazu das von ihr mitgebrachte Bier getrunken. Es war eine beglückende Nacht für ihn gewesen. Während sie ihn mit Geschichten aus Schanghai und Asien ergötzte, war die Zeit unbemerkt verstrichen. Und als sie dann, die Finger ineinander geschlossen, Seite an Seite zurückgelehnt auf dem Kissen ruhten, hatte sie gesagt: »Es tut mir leid, Linc, aber ich liebe dich.«
Er war überrascht gewesen. »Das braucht dir doch nicht leidzutun«, hatte er gemeint. Er war noch nicht bereit, ein solches Geständnis zu machen.
»Aber es ist so. Und das kompliziert alles.«
Damit hat sie recht, dachte er. Für eine Frau ist es leicht, zu sagen: Ich liebe dich, aber für einen Mann so schwer – und unklug, denn damit ist man geliefert. Geliefert – ist das das richtige Wort?
Während er jetzt, den Kopf in die Arme gebettet, dalag, ließ er die Nacht noch einmal an seinem geistigen Auge vorüberziehen. Einander berührend und sich wieder voneinander lösend, ihre Hände einander suchend und wieder verlierend, war dem Spiel ein Abschluß versagt geblieben. Nicht daß sie ihn gehindert oder sich ihm verweigert hätte. Er hatte sich eben zurückgehalten.
»Das ist dir ja noch nie passiert«, murmelte er vor sich hin. »Wenn du eine Frau einmal in Fahrt gebracht hattest, gab es doch kein Halten mehr!« Als er sich jetzt daran erinnerte, wie stark ihrer beider Verlangen gewesen war, wünschte er sich, er wäre weniger standhaft gewesen. »Ich mag kein flüchtiges Abenteuer, und ich bin kein eurasisches Flittchen«, klang es ihm noch in den Ohren.
Auf der Fahrt im Taxi zu ihrem Haus hatten sie nicht miteinander gesprochen, sich nur an den Händen gehalten. So was Blödes, dachte er, Händchen halten, und kam sich
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