Hongkong 02 - Noble House Hongkong
angeworben?«
»Ich weiß es nicht, Sir«, antwortete Armstrong vorsichtig. »Aber Sie können darauf wetten, daß sie jetzt alle bedeutende Persönlichkeiten sind – in der Regierung, im Außenamt, im Schulwesen und in der Presse, vor allem in der Presse und, so wie Philby, verdammt tief verwurzelt.«
»Bei Menschen muß man auf alles gefaßt sein. Auf alles. Menschen sind wirklich schreckliche Geschöpfe.« Crosse seufzte und rückte die Akte ein wenig zurecht. »Tja. Aber im SI zu sein, ist ein Privileg. Habe ich recht, Robert?«
»Ja, Sir.«
»Ich habe Sie nie gefragt, warum Sie nicht bei uns geblieben sind, nicht wahr?«
»Nein, Sir.«
»Nun?«
Armstrong stöhnte innerlich und holte tief Atem. »Weil ich gern Polizeibeamter bin, Sir, und kein Mantel-und-Degen-Mann. Ich bin gern im CID. Es macht mir Spaß, meine Intelligenz mit der des Verbrechers zu messen, ihn zu jagen und zu fangen und ihn dann vor Gericht zu überführen – unter Einhaltung von Vorschriften, gesetzlichen Bestimmungen, Sir.«
»Und im SI tun wir das nicht? Wir interessieren uns nicht für Gericht, Gesetze oder sonst etwas – für uns zählen nur Resultate?«
»SI und SB haben verschiedene Regeln, Sir«, konterte Armstrong. »Wäre das nicht so, es stünde schlimm um die Kolonie.«
»Ja, das ist wahr. Die Menschen sind schrecklich, und die Fanatiker vermehren sich wie Maden im Speck. Sie wären ein guter Agent. Jetzt scheint es mir an der Zeit, daß Sie die Stunden und Monate sorgfältiger Ausbildung, die Sie auf Kosten Ihrer Majestät genossen haben, zurückzahlen.«
Armstrongs Herz setzte zweimal aus, aber er antwortete nichts und dankte Gott, daß nicht einmal Crosse ihn gegen seinen Willen aus dem CID versetzen konnte. Er hatte seine Dienstzeit im SI gehaßt – anfangs war es aufregend gewesen, hatte aber bald jeden Reiz verloren – die überfallartigen nächtlichen Verhaftungen Verdächtiger, die geheimen Verhöre, die Sorglosigkeit, mit der Beweise erbracht und Urteile gefällt wurden – die in aller Eile vom Gouverneur unterzeichneten Deportationsbefehle – und ohne die Möglichkeit einer Berufung ab zur Grenze oder auf eine Dschunke nach Taiwan.
»Das ist nicht britische Art«, hatte er seinem Freund damals anvertraut. »Ich bin für einen fairen, öffentlichen Prozeß. Und ich will nur ein einfacher Polizist sein, kein James Bond.«
Ja, dachte Armstrong, ein einfacher Beamter im CID, bis ich in den Ruhestand treten und nach England zurückkehren kann. Mann Gottes, ich habe genug Sorgen mit den verdammten Werwölfen! Er richtete seine Augen wieder auf Crosse, bemühte sich, eine unverbindliche Miene zu zeigen, und wartete.
Crosse beobachtete ihn und klopfte dann auf die Akte. »Wenn man diesen Informationen glauben soll, sitzen wir um vieles tiefer im Dreck, als selbst ich mir vorstellen konnte. Sehr bedrückend. Ja.« Er hob den Kopf. »Dieser Bericht nimmt auf vorhergehende Bezug, die Dunross zugegangen sind. Ich würde sie sehr gern und so bald wie möglich zu Gesicht bekommen.«
Armstrong streifte Brian Kwok mit einem Blick. »Wie wäre es mit Claudia Tschen?«
»Nein. Ausgeschlossen. Völlig unmöglich.«
»Was schlagen Sie also vor, Brian?« fragte Crosse. »Es würde mich nicht wundern, wenn mein amerikanischer Freund ebenso dächte … und wenn er sich dazu verleiten ließe, den Bericht, eine Kopie des Berichts, an den Chef der hiesigen CIA weiterzugeben … Es würde mich wirklich sehr betrüben, wenn sie wieder die ersten wären.«
Brian Kwok überlegte kurz. »Wir könnten ein auf solche Dinge spezialisiertes Sonderkommando in die Direktionsräume des Tai-Pan und sein Penthouse schicken, aber das nähme Zeit in Anspruch – wir wissen einfach nicht, wo wir suchen sollen – und es müßte nachts sein. Eine riskante Operation, Sir. Die anderen Informationsbriefe könnten sich – wenn sie noch existieren – in einem Safe im Großen Haus oder in seiner Wohnung in Shek-O – oder gar in seiner … hm … seinem privaten Domizil in den Sinclair Towers befinden.«
»Nun, wenn Sie nicht wissen, wo Sie suchen sollen, müssen Sie eben fragen.«
»Sir?«
»Fragen. Dunross hat sich in der Vergangenheit immer als sehr gefällig erwiesen. Er ist ja schließlich ein Freund von Ihnen. Bitten Sie ihn, die Berichte herauszurücken.«
»Und wenn er nein sagt oder behauptet, daß er sie vernichtet hat?«
»Lösen Sie das Problem doch mit Ihrem talentierten Köpfchen! Schmeicheln Sie ihm ein wenig,
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