Hongkong 02 - Noble House Hongkong
angenommen, daß er heimfahren würde – fügte aber dann hinzu: ›Er könnte seiner Freundin einen Besuch gemacht haben.‹ Wir fragten ihn, wer das sei, aber er sagte, das wisse er nicht. Nach einigem Drängen schien er sich an einen Namen zu erinnern – Duftige Blume –, aber er wußte weder ihre Anschrift noch ihre Telefonnummer. Das ist alles.«
Sekundenlang schien Crosse in Gedanken versunken. »Welches Interesse könnte Dunross haben, John Tschen aus dem Weg räumen zu lassen?«
Die zwei Polizeioffiziere starrten ihren Vorgesetzten an.
»Geben Sie das Ihrem Computerhirn zu knabbern, Brian!«
»Ja, Sir, aber dafür gibt es keinen Grund. John Tschen stellt für Dunross keine Bedrohung dar. Er könnte ihm auch nie gefährlich werden – auch als Comprador nicht. Im Noble House liegt die ganze Macht beim Tai-Pan. Ich könnte mir also keinen Grund vorstellen, Sir. Vorderhand.«
»Dann denken Sie darüber nach!«
Crosse zündete sich eine Zigarette an, und Armstrong spürte den Hunger nach Rauch in seinen Eingeweiden nagen. Ich werde mein Versprechen nicht halten können, dachte er. Dieser verdammte Crosse! Was, zum Teufel, hat er im Sinn? Er sah, wie Crosse ihm von seinen ›Senior Service‹ anbot, der Sorte, die auch er zu rauchen gewohnt war – mach dir nichts vor, dachte er, es ist die Sorte, die du immer noch rauchst! »Nein, danke, Sir«, hörte er sich sagen.
»Sie rauchen nicht, Robert?«
»Nein, Sir. Ich habe aufgehört … ich versuche aufzuhören.«
»Bewundernswert! – Welches Interesse könnte Bartlett haben, John Tschen aus dem Weg räumen zu lassen?«
Wieder richteten die beiden Polizeibeamten den Blick starr auf ihn. Dann fragte Armstrong mit kehliger Stimme: »Wissen Sie es, Sir?«
»Würde ich Sie fragen, wenn ich es wüßte. Es ist Ihre Aufgabe, das herauszufinden. Irgendwo gibt es eine Verbindung. Zu viele Zufälle. Zu schlau, zu glatt – und es stinkt. Ja, es stinkt nach KGB, und wenn diese Leute in meinem Amtsbereich tätig werden, macht mich das nervös.«
»Ja, Sir.«
»So weit, so gut. Lassen Sie Mrs. Tschen überwachen – es könnte leicht sein, daß sie etwas damit zu tun hat. Sie hat einiges dabei zu gewinnen – oder zu verlieren. Stellen Sie auch Philip Tschen für ein, zwei Tage unter Polizeiaufsicht.«
»Ist schon geschehen, Sir. In beiden Fällen. Bei Philip Tschen – nicht daß ich ihn verdächtige, aber ich fürchte, sie werden beide die übliche Haltung einnehmen – jede Zusammenarbeit ablehnen, heimlich verhandeln, heimlich zahlen und erleichtert aufatmen, wenn alles vorbei ist.«
»Ganz richtig. Wie kommt es nur, daß sich diese Leute – so intelligent sie auch sein mögen – so viel klüger dünken als wir, und uns nicht helfen wollen, die Arbeit zu tun, für die wir bezahlt werden?«
Brian Kwok fühlte, wie sich die stählernen Augen in die seinen bohrten, und der Schweiß lief ihm über den Rücken. Ganz ruhig, ermahnte er sich. »Wie Ihnen sicher bekannt ist, Sir«, bemerkte er höflich, »ist es eine alte chinesische Gepflogenheit, jedem Polizisten und jedem Regierungsbeamten zu mißtrauen – dahinter stecken viertausend Jahre Erfahrung, Sir.«
»Ich stimme dieser Hypothese zu, aber mit einer Ausnahme: den Briten. Wir haben über jeden Zweifel hinaus bewiesen, daß man uns vertrauen kann, daß wir zu regieren verstehen und daß unsere Beamten im großen und ganzen unbestechlich sind.«
»Ja, Sir.«
Crosse beobachtete ihn, während er an seiner Zigarette zog. »Robert«, sagte er dann, »wissen Sie, worüber John Tschen und Miss Tcholok gesprochen haben?«
»Nein, Sir. Wir konnten sie noch nicht vernehmen – sie hält sich schon den ganzen Tag bei Struan’s auf.«
»Gehen Sie heute abend zu Dunross’ Party?«
»Nein.«
»Brian?«
»Ja, Sir.«
»Gut. Robert, ich bin ganz sicher, daß Dunross nichts dagegen hat, wenn ich Sie mitbringe. Holen Sie mich um acht Uhr ab. Es wird alles da sein, was in Hongkong Rang und Namen hat – Sie können Nase und Ohren spitzen.« Er lächelte über seinen Scherz, und es machte ihm nichts aus, daß die anderen nicht mit ihm lächelten. »Lesen Sie jetzt den Bericht! Ich bin bald wieder da. Und Brian – bitte versagen Sie heute abend nicht! Es wäre wirklich sehr lästig.«
»Ja, Sir.«
Crosse verließ das Zimmer.
Als sie allein waren, wischte sich Brian Kwok den Schweiß von der Stirn. »Der Kerl macht mich fertig. Würde er wirklich ein Kommando zu Struan’s schicken?« fragte
Weitere Kostenlose Bücher