Honig
Verlobung lösen.«
»Musste?«
»Du hast deine Gefühle deutlich gezeigt, als ich dir davon erzählt habe.«
»Habe ich das?«
»Die Enttäuschung war dir anzumerken. Das hat mir leidgetan, aber ich musste es ignorieren. Gefühle dürfen uns bei der Arbeit nicht in die Quere kommen.«
»Das sehe ich genauso, Max.«
»Aber ich weiß, jedes Mal, wenn wir uns begegnen, denken wir beide daran, was hätte sein können.«
»Hör zu…«
»Und weißt du, all die…«
Er griff nach seinem Hut und betrachtete ihn eingehend.
»… die Hochzeitsvorbereitungen. Unsere beiden Familien hatten schon damit angefangen. Aber ich musste immerzu an dich denken… Ich dachte, ich drehe durch. Als ich dich heute früh gesehen habe, da traf es uns beide wie ein Schlag. Du sahst aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen. Ich bestimmt auch. Serena, sich so zu verstellen… dieser Irrsinn, nichts zu sagen. Ich habe vorhin mit Ruth gesprochen und ihr die Wahrheit gestanden. Sie ist außer sich. Aber darauf steuern wir schon seit langem zu, [312] du und ich, es führt kein Weg daran vorbei. Wir können das einfach nicht mehr ignorieren!«
Sein Anblick war mir unerträglich. Wie er seine eigenen wechselhaften Impulse einer unpersönlichen Schicksalsmacht zuschrieb, machte mich wütend. Ich will das, also… ist es Vorsehung! Warum hatten Männer nur solche Schwierigkeiten mit den Grundregeln der Logik? Ich blickte über meine Schulter hinweg zu den zischenden Gasflammen. In der Küche wurde es allmählich warm, und ich lockerte den Kragen meines Morgenmantels.
Um klarer denken zu können, strich ich mir die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Er wartete darauf, dass ich das Richtige sagte, dass ich meine Wünsche mit den seinen in Einklang brachte, dass ich ihn in seinem Solipsismus bestätigte und mich ihm anschloss. Aber vielleicht war ich zu streng mit ihm. Vielleicht war das alles nur ein Missverständnis. Zumindest nahm ich mir vor, es so darzustellen.
»Es stimmt, deine Verlobung kam aus heiterem Himmel. Du hattest Ruth vorher noch nie erwähnt, und das hat mich tatsächlich ein wenig verärgert. Aber ich bin jetzt drüber hinweg, Max. Ich hatte gehofft, du lädst mich zu deiner Hochzeit ein.«
»Die ist abgeblasen. Wir können noch einmal von vorn anfangen.«
»Nein. Das geht nicht.«
Er sah mich entgeistert an. »Wie meinst du das?«
»Wir können nicht noch mal von vorn anfangen.«
»Warum?«
Ich zuckte die Schultern.
[313] »Du hast einen anderen.«
»Ja.«
Seine Reaktion war beängstigend. Er sprang auf und stieß dabei den Stuhl um, der mit Getöse auf den Boden schlug. Der Lärm hatte die anderen bestimmt geweckt. Schwankend stand er vor mir, sein Gesicht sah gespenstisch aus, grünlich im gelben Licht der nackten Glühbirne, seine Lippen glänzten feucht. Ich machte mich darauf gefasst, zum zweiten Mal in einer Woche von einem Mann zu hören, er müsse sich gleich übergeben.
Doch er hielt sich tapfer, wenn auch ein wenig wankend, und sagte: »Aber du hast den Eindruck vermittelt, dass… dass du, nun ja, mit mir zusammen sein willst.«
»Tatsächlich?«
»Jedes Mal, wenn du zu mir ins Büro gekommen bist. Du hast mit mir geflirtet.«
Da war etwas Wahres dran. Ich dachte kurz nach und sagte: »Aber nicht mehr, seit ich Tom kenne.«
»Tom? Doch hoffentlich nicht Tom Haley?«
Ich nickte.
»O Gott. Das ist also dein Ernst. Wie kann man nur so dumm sein!« Er stellte den Stuhl wieder auf und ließ sich schwer darauf sinken. »Machst du das, um mich zu bestrafen?«
»Ich mag ihn.«
»Absolut unprofessionell.«
»Ach, hör auf. Wir wissen doch alle, wie das hier läuft.«
Genau genommen wusste ich gar nichts. Ich kannte nur – womöglich frei erfundene – Klatschgeschichten über Führungsbeamte, die sich mit Agentinnen einließen. Bei all [314] dem Stress und der engen Zusammenarbeit, warum auch nicht?
»Er wird herausfinden, wer du bist. Garantiert.«
»Nein.«
Er hockte da, den Kopf in die Hände gestützt. Er blies die Backen auf und schnaufte. Schwer zu sagen, wie betrunken er war.
»Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Ich dachte, Gefühle sollten uns bei der Arbeit nicht in die Quere kommen.«
»Serena! Wir sprechen gerade von Honig! Haley gehört zu uns. Genau wie du.«
Allmählich fragte ich mich, ob ich nicht doch im Unrecht war. Deshalb ging ich zum Angriff über. »Du hast mich ermuntert, auf dich zuzugehen, Max. Und dabei warst du die ganze Zeit kurz davor, deine Verlobung
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