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Honig

Honig

Titel: Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Wand‹-Geschichte, die Peter Nutting erzählt hat, beim MI 5 so beliebt.«
    »Stimmt die denn?«, fragte ich.
    »Wohl eher nicht. Aber sie lässt den MI 6 wie einen Haufen aufgeblasener Idioten erscheinen, und das kommt hier gut an. Wie auch immer, mit Honig wollen wir selber was auf die Beine stellen, unabhängig vom MI 6 oder den Amerikanern. Ein Romanschriftsteller war ursprünglich nicht vorgesehen, das ist eine nachträgliche Laune von Peter. Ich persönlich halte das für einen Fehler – zu unkalkulierbar. Aber wir machen es jetzt. Der Autor braucht kein fanatischer Kalter Krieger zu sein. Nur skeptisch, was Utopien im Osten und drohende Katastrophen im Westen betrifft – du weißt schon.«
    »Was passiert, wenn der Schriftsteller dahinterkommt, dass wir seine Miete bezahlen? Da wird er doch stinksauer.«
    Max sah weg. Ich dachte, ich hätte eine dumme Frage gestellt. Aber nach kurzem Schweigen antwortete er: »Die Verbindung zwischen uns und ›Freedom International‹ ist mehrfach getarnt. Selbst wenn man genau weiß, wo man nachsehen muss, wäre es nicht einfach herauszufinden. Falls irgendetwas ans Licht kommt, gehen wir davon aus, dass die Schriftsteller eine Blamage lieber vermeiden wollen [186] und stillhalten. Und wenn nicht, erklären wir ihnen, wir könnten beweisen, dass sie schon immer über die Herkunft des Geldes Bescheid gewusst hätten. Und das Geld wird weiterfließen. Hat man sich erst einmal an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt, verzichtet man ungern darauf.«
    »Also Erpressung.«
    Er zuckte die Schultern. »Schau, das IRD in seinen Glanzzeiten hat Orwell oder Koestler nie gesagt, was sie in ihren Büchern schreiben sollen. Aber es hat nach Kräften dafür gesorgt, dass ihre Ideen sich auf der ganzen Welt verbreiten konnten. Wir haben es mit freien Geistern zu tun. Wir sagen ihnen nicht, was sie denken sollen. Wir ermöglichen es ihnen, in Ruhe zu arbeiten. Drüben hat man freie Geister früher in die Gulags verschleppt. Heute ist in der Sowjetunion die Psychiatrie der neue Staatsterror. Wer gegen das System opponiert, gilt als gemeingefährlicher Irrer. Und hier wollen uns gewisse Labour-Leute, Gewerkschafter, Profs, Studenten und sogenannte Intellektuelle weismachen, die USA seien keinen Deut besser –«
    »Bomben auf Vietnam.«
    »Ja, sicher. Aber überall in der Dritten Welt gibt es ganze Völker, die meinen, sie könnten von der Sowjetunion etwas über Freiheit lernen. Der Kampf ist noch nicht vorbei. Wir wollen das Richtige und Gute fördern. Peter sieht es so, Serena: Du liebst die Literatur, du liebst dein Land. Er glaubt, die Sache ist wie für dich gemacht.«
    »Aber du siehst das nicht so.«
    »Ich denke, wir sollten uns auf Sachliteratur konzentrieren.«
    Ich wurde nicht schlau aus ihm. Sein ganzes Benehmen [187] hatte etwas Unpersönliches. Honig, oder meine Rolle darin, gefiel ihm nicht, aber er blieb ruhig, geradezu nüchtern. Er wirkte wie ein gelangweilter Verkäufer, der mir zu einem Kleid riet, von dem er wusste, dass es mir nicht stand. Ich wollte ihn aus dem Konzept bringen, ihm wieder näherkommen. Er ging mit mir die Einzelheiten durch. Ich sollte meinen richtigen Namen verwenden. Ich sollte in die Upper Regent Street gehen und mit den Leuten von der Stiftung reden. Denen hatte man erzählt, dass ich für ›Word Unpenned‹ arbeitete, eine Organisation, die ›Freedom International‹ Gelder für ausgewählte Autoren zukommen ließ. Wenn ich dann später nach Brighton fuhr, sollte ich darauf achten, nichts mitzunehmen, das mit Leconfield House in Verbindung gebracht werden konnte.
    Hielt mich Max denn für blöd? Ich unterbrach ihn: »Was, wenn mir Haley gefällt?«
    »Prima. Dann nehmen wir ihn.«
    »Ich meine, richtig gefällt?«
    Er blickte gereizt von seiner Checkliste auf. »Wenn du das lieber doch nicht machen willst…« Sein Ton war eisig. Das freute mich.
    »Max«, sagte ich, »das war ein Scherz.«
    »Reden wir über deinen Brief an ihn. Du schreibst am besten einen Entwurf und zeigst ihn mir.«
    Also besprachen wir den Brief und weitere Modalitäten, und mir wurde klar, dass wir in seinen Augen keine engen Freunde mehr waren. Ich konnte ihn nicht mehr bitten, mich zu küssen. Aber das wollte ich so nicht hinnehmen. Ich hob meine Handtasche vom Boden, machte sie auf und holte ein Päckchen Papiertaschentücher heraus. Erst im [188] Jahr zuvor hatte ich die Baumwolltaschentücher mit broderie anglaise und meinem Monogramm in Pink aussortiert – ein

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