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Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Titel: Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélie Engel
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ließ er ihren Arm los und seine Faust schloss sich wieder schmerzhaft um ihre langen Haare am Hinterkopf. Jeanne schrie auf und der hohe Ton hallte laut durch die düsteren Gänge. Balthasar zerrte sie gerade die breite Treppe hinunter, als Lucien in die Eingangshalle gerannt kam. Jeanne stolperte über ihre zu langen Röcke, verlor den Halt und taumelte, doch er hielt sie grausam aufrecht, ohne darauf zu achten, was er ihr dabei antat. Wieder schrie sie.
    "Bist du wahnsinnig?!", herrschte Lucien ihn an und wollte sich ihm am Fuße der Treppe in den Weg stellen.
    "Aus dem Weg, Bruder", knurrte Balthasar.
    "Was tust du da?" Lucien schien völlig fassungslos über den Anblick, der sich ihm bot. Er schaute auf die Faust, die Jeannes Haare hielt, ihr tränennasses, bleiches Gesicht und ihre mühsamen, stolpernden Schritte.
    "Sie hat dir nichts getan!"
    Balthasar kam neben Lucien am Fuße der Treppe zum Stehen, Jeanne immer noch wie eine Puppe mit sich zerrend.
    "Das ist ein Sache zwischen ihr und mir", flüsterte er drohend. "Und wage es nicht, dich einzumischen."
    Lucien schien sich nicht einschüchtern zu lassen. "Lass sie sofort los."
    "Verschwinde endlich!", herrschte Balthasar ihn an.
    Lucien schien Jeannes Anblick fast körperlich weh zu tun. Sein Gesichtsausdruck wurde regelrecht verzweifelt. "Sie ist ein kleines, zartes Ding und sie geht dir nicht mal bis zur Schulter. Sie wiegt vielleicht ein Drittel von dir! Und sie ist liebenswert, unschuldig und soweit wie ich es bisher beurteilen konnte, völlig reinen Herzens. Was, Bruder, könnte sie dir so Schreckliches angetan haben?"
    Balthasar schnaubte widerwillig und zog Jeanne einfach weiter.
    "Woher kommt diese unbändige Wut?", verlangte Lucien zu wissen und dachte offensichtlich gar nicht daran, sich von Balthasar so einfach abhängen zu lassen.
    "Spar dir deine salbungsvollen Fragen, Lucien!"
    "Jetzt weiß ich, warum sie so eine Angst vor dir hat!"
    Balthasar blieb abrupt stehen. Dann riss er an Jeannes Haaren, bog ihren Kopf zu sich hoch und blickte suchend in ihre geweiteten, tränenverschmierten Augen. Sie jammerte leise vor Schmerz.
    "Du bist so ein Monster", sagte Lucien, der ihn wieder eingeholt hatte. Balthasar sah zu ihm herüber und sein Gesicht wurde ein grausames Abbild all der Wut, die in ihm brodelte.
    "Sind wir das hier nicht alle, Bruder?", raunte er dann. Er zerrte Jeanne weiter mit sich, Lucien ihm dicht auf den Fersen.
    "Was hast du mit ihr vor?"
    "Sie schläft im Kerker."
    "Warum das denn? Sie hat ein Zimmer!"
    "Hat sie nicht. Sie schläft im Kerker."
    "Aber da ist es kalt und feucht und ..." Lucien versuchte, sich bei Jeanne unterzuhaken, um ihr das gehen zu erleichtern, doch Balthasar stieß ihn mit so roher Gewalt von sich, dass er gegen die nächstgelegen Wand prallte.
    "Sie wird dort krank werden und sterben", beharrte Lucien und rappelte sich wieder hoch, nachdem er taumelnd ein Stück an der Wand heruntergerutscht war. Jeanne stolperte erneut über ihre langen Röcke und gab dann einen schmerzvollen Laut von sich, als das Gewicht ihre Körpers nur durch Balthasars Griff in ihre Haare gehalten wurde.
    "Siehst du nicht, dass sie kaum laufen kann, weil ihr das Kleid zu lang ist?"
    "Lucien, ich kaufe dir ein Hündchen, dass du bemuttern kannst", knurrte Balthasar. "Aber hör endlich auf, dich wie ein Retter aufzuspielen." Er stieß die Tür zum Verließ auf und zerrte Jeanne die schmale Treppe hinunter. Lucien war immer noch dicht hinter ihnen. Dann öffnete Balthasar die Gitter der düsteren Zelle und beförderte Jeanne mit einem letzten Schubs auf das knisternde Stroh. Er griff nach dem Schlüssel und es quietschte, als er sich im Schloss drehte. Dann ließ er ihn in seine Hosentasche gleiten.
    "Das kannst du nicht wirklich wollen", sagte Lucien ungläubig.
    Balthasar wandte sich zum Gehen. Lucien umgriff die metallenen Streben und sah im Halbdunkel auf Jeannes zusammengekauerte Gestalt.
    "Es tut mir Leid, Honigkäfer...", flüsterte er. "Es tut mir so Leid. Ich werde mit ihm reden. Du hast nichts getan, da bin ich mir sicher." Dann riss er sich von ihr los und stürmte seinem Bruder hinterher. "Balthasar! Bist du von Sinnen? Rede mit mir!"
    Jeanne lauschte seinen Schritten und befühlte dann vorsichtig ihren schmerzen Hinterkopf. Es fühlte sich an, als habe sie einen dumpfen Schlag bekommen und ihr war ein wenig schwindelig von den Schmerzen. Eine Ratte raschelte durch das Stroh und ihr langer, nackter Schwanz strich an Jeannes Hand

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