Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
er sie töten durfte?
Doch dann sah sie seinen Gesichtsausdruck und die hochgezogenen Brauen.
Für ihn war es ein Spiel, so schien es. Er wollte sie provozieren, Kräfte mit ihr messen und es schien ihm nichts auszumachen, dass sie zwei Mal bereits gewonnen hatte. Er hatte sie zwei Mal gedemütigt und sie hatte instinktiv etwas getan, um ihn ebenfalls zu erniedrigen.
Sie wog das Messer erneut in der Hand. Er wollte sie provozieren, indem er sie vor die Wahl stellte, ihn mutwillig zu verletzen und wahrscheinlich hoffte er heimlich, dass sie unter der Last der Entscheidung zusammenbrechen würde. Jeanne überlegte, wie sie diese dritte Herausforderung erwidern konnte, damit ihm seine Entscheidung genauso schwer fallen würde, wie ihr ihre zuvor. Dann hatte sie eine Idee. Sie sah erneut zu ihm hoch. Sein Gesicht war angespannt, die Augen glänzten.
Sie ließ das Messer klirrend zu Boden fallen. "Wenn du es wiederhaben willst, wirst du es aufheben müssen."
Er blickte sie an und etwas in seinen Augen loderte leidenschaftlich auf. Dann schluckte er, sah auf das Messer zu ihren Füßen und dann ungläubig zurück in Jeannes Gesicht. Sie versuchte, ihre Miene unbeweglich bleiben zu lassen. Immer noch war sie sich ihrer Sache nicht sicher. Sie dachte an Balthasar und wie er explodiert wäre, hätte sie sich so etwas bei ihm erlaubt. Er hätte sie vermutlich eigenhändig mit dem Gesicht auf den Boden gedrückt, damit sie das Messer mit den Zähnen aufhob. Bei Victor jedoch, schienen die Uhren anders zu laufen. Sie hoffte es zumindest, denn wenn er sich plötzlich entschied, dass ihm sein kleines Spielchen keinen Spaß mehr machte, könnte das sehr unangenehm für sie ausgehen. Sie versuchte, ihre Atmung ruhig zu halten um ihm keine Gelegenheit zu geben, dass er ihre Angst und den Zweifel womöglich sah.
Victor sah sie immer noch an. Dann ging er auf die Knie und griff nach dem Messer. Jeanne folgte jede seiner Bewegungen mit angespanntem Misstrauen. Victor schaute auf ihre nackten Zehen, auf den Saum ihrer Röcke und dann hoch zu ihr. Seine dunklen Augen schimmerten wie Glas im Sonnenlicht und seine Pupillen waren übernatürlich erweitert. Einen ewigen Moment lang verharrte er so und Jeanne konnte nicht glauben, dass Victor, dieser grobe, rohe Kerl mit dem blutverschmierten Oberkörper und den vielen Muskeln zu ihren Füßen kniete und ihr diesen unglaublich sehnsuchtsvollen Blick schenkte.
Dann war der Moment vorbei. Victor kam wieder hoch, schob sich das Messer zurück in den Stiefel und schien an weiteren Auseinandersetzungen nicht interessiert. Er nickte ihr höflich und respektvoll zu, so wie ein Ehrenmann eine Dame auf der Straße grüßen würde und dann ging er wortlos an ihr vorbei die Treppe hinunter Richtung Küche..
Erst als er sich noch ein Mal kurz umdrehte, sah Jeanne die überdeutlich erkennbare Erektion, die sich groß und fordernd unter dem Verschluss seiner hellen Hose abzeichnete.
Jeanne irrte eine Weile kopflos im Haus herum, immer noch verwirrt von dem, was sie gerade mit Victor erlebt hatte. Sie fuhr mit der Hand über die Kratzer, die er an ihrem Dekolletee hinterlassen hatte. Auf eine Art machte er ihr Angst, doch gleichzeitig spürte sie, dass er es nicht darauf anlegte sie ernstlich zu verletzen, sondern dass er sie provozierte.
Sie hatte dieses Verhalten bei den Jungen aus ihrem Dorf beobachtete. Sie warfen einander Schimpfworte an den Kopf oder schubsten sich, um einen Grund zu haben, miteinander zu raufen. Doch dass einer von ihnen ein Mädchen so provoziert hätte, hatte sie nie erlebt. Sie spazierte gerade ziellos durch eines der Wohnzimmer, als sie Stimmen hörte. Ohne weiter darüber nachzudenken, sprang sie hinter eine der bodenlangen Gardinen und blinzelte vorsichtig in den Raum.
"Heute gehört sie Victor", sagte Lucien und blieb vor dem Sekretär stehen.
Balthasars Antwort war lediglich ein knappes Kopfnicken.
"Hoffentlich freut er sich!"
"Sie ist nicht sein Typ."
"Victor hat einen bevorzugten Typ?" fragte Lucien. "Ich dachte, alles was zählt ist, dass sie Brüste haben."
"Sie sehen fast aus wie Geschwister", fügte Balthasar noch hinzu.
"Du übertreibst! Nur weil sie beide blonde Haare haben?"
"Wie alt mag sie sein....vielleicht 17? Und er... ich meine, hast du sie dir mal nebeneinander angeschaut?"
"Na und? Sie ist hübsch, lieblich und zart, er ein großer, rauer Kerl und mit seinen Muskeln, na ja.... sieht er nicht unbedingt aus wie der Sohn einer Milchmagd.
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