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Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)

Titel: Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélie Engel
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weich geschwungenen Figur, den zarten Gliedern, dem üppigen Busen und dem runden Hintern, stellte sein perfektes Gegenstück da. Und das schien ihr Körper zu spüren.
    Jeanne zwang ihren Blick weg von seiner nackten Haut und blinzelte, als sie hinaus in die Sonne traten. Victor lief voraus bis zu einem Verschlag aus dunklem Holz, der Jeanne bisher noch gar nicht wirklich aufgefallen war. Die Tür knarrte, als Victor sie mit dem Fuß aufstieß. Zwei Fenster erhellten den Raum und Jeanne sah einen bedrohlich aussehenden Eisenhaken von der Decke hängen. Auf einen Tisch lagen diverse Messer, darunter standen Eimer, eine kleine Holzwanne und in der Mitte des Schuppens ein Holzgestänge, das entfernt an eine Wiege für ein Baby erinnerte. Und genau dort legte Victor das Reh ab. Der helle Bauch zeigte nach oben und die steifen dünnen Beine standen starr von dem Körper ab.
    "Hast du so etwas schon mal gesehen?", fragte Victor. Jeanne wusste nicht, was er meinte, traute sich aber auch nicht, noch mehr dumme Fragen zu stellen und schüttelte nur den Kopf. Victor griff nach einem der Messer, setzte es an und schnitt dem Reh den Bauch auf. Die langen dünnen Beine bewegten sich gespenstisch, als das Messer die Haut schlitzte. Jeanne schluckte und wich einen Schritt zurück.
    Victor bemerkte ihren Blick. "Es ist seit heute Mittag tot. Es spürt nichts mehr." Seine Stimme klang wie die eines Lehrers, ruhig und ohne Spott.
    Jeanne nickte mühsam.
    "Schiebst du mal die Holzwanne vor meine Füße", bat Victor. Jeanne tat wie ihr befohlen, vermied aber einen zu genauen Blick in die geöffnete Bauchdecke.
    "Willst du mir mit den Organen helfen?"
    "Ich soll da hinein fassen?"
    Victor nickte.
    "Einfach so?"
    Wieder ein Nicken.
    "Nein."
    "Ich mache es dir vor und du machst es mir einfach nach", schlug Victor dann vor. Er griff in die Bauchhöhle und holte einen Arm voll Innereien heraus. Jeanne sah auf das blutige Durcheinander, stürzte aus dem Schuppen und übergab sich auf den Misthaufen. Sie hörte Wasser plätschern und dann Schritte hinter sich. Eine Hand legte sich auf ihren Rücken, nahm ihr die Haare zurück und hielt sie fest, während Jeanne sich ein zweites Mal übergab.
    "Hier." Victor hatte sich die Hände gewaschen und reichte ihr nun ein sauberes Taschentuch an. Jeanne griff danach und wischte sich über den Mund, während sie sich wieder aufrichtete. Er zog eine flache, silberne Flasche aus seiner Hose, öffnete den Verschluss und reichte sie dann zu Jeanne hinüber.
    "Was ist das?", fragte sie leise.
    "Alkohol. Es wird dir helfen. Nimm einen Schluck oder allerhöchstens zwei." Er lächelte schief. "Es brennt nämlich und mehr wirst du sowieso nicht schaffen."
    Jeanne setzte die Flasche an, nahm vier hastige Schlucke und hustete dann.
    "Kein Tier ausnehmen können, aber das Trinkverhalten eines räudigen Matrosen." Victor schenkte ihr einen amüsierten Blick. Dann steckte er die silberne Flasche wieder weg.
    "Auf zu Runde zwei, Leichtmatrose?"
    Jeanne nickte und folgte ihm zurück in den Schuppen. Victor hatte die Innereien in die Wanne gelegt, nun griff er ein zweites Mal zu. Er holte ein großes, leicht ovales Organ heraus. "Hände auf", sagte er und es klang wie ein Befehl an einen Soldaten. Jeanne streckte die Hände aus und machte die Augen zu. Es war weich und ziemlich schwer. Vorsichtig schielte sie durch die halb geschlossenen Augenlider.
    "Das ist das Herz", sagte Victor. Jeanne öffnete die Augen und schaute auf ihre Handflächen.
    "Es ist das wichtigste Organ. Es lässt das Blut durch den Körper strömen." Er sah auf ihre Hände. "Und manche behaupten, dass dort auch die Seele des Lebewesens wohnt."
    "Was machst du damit?" Jeanne deutete mit dem Kopf auf die Wanne mit den Innereien.
    "Ich schütte sie nahe am Wald aus. Tiere finden die Innereien dort und werden sich daran gütlich tun. Zu nah am Haus lockt es nur Ratten und streunende Hunde an."
    "Du lässt es zu, dass sie seine Seele fressen?", fragte Jeanne leise.
    Überrascht, so als habe er noch nie darüber nachgedacht, sah er sie an.
    "Ich werde es begraben" schlug sie vor.
    Er betrachtete sie immer noch. Als Jeanne schützend die Hände um das Herz schloss, hob er beeindruckt die Augenbrauen. "Gut, dann begraben wir es." Wieder griff er in die Bauchhöhle. "Aber zuerst machen wir hier weiter."
    Jeanne legte das Herz ganz seitlich in der Wanne ab. Dann schaute sie Victor dabei zu, wie er das Reh hochhob. Als sie sah, dass er zu dem Haken ging, um

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