Honigkäfer (Käfer-Reihe) (German Edition)
Ich kann sie mir gut zusammen vorstellen. Blond auf Blond und beide so jung, sehen sie bestimmt aus wie zwei Engel, die es miteinander treiben..."
"Es reicht, Lucien", unterbrach ihn Balthasar. "Schreib ein Buch über sie, wenn es dich so fasziniert. Aber hör auf, die Sache über alle Gebühr auszuschmücken. Sie wird es mit ihm tun müssen, so wie mit allen von uns, denn nur dafür ist sie hier. Was sie dabei denkt, was er dabei denkt oder wie sie dabei aussehen, interessiert hier niemanden."
"Ich würde ja gerne mal zuschauen..", murmelte Lucien unbeeindruckt.
"Dann frag ihn doch einfach!", stöhnte Balthasar sichtlich genervt.
"Nein...", erwiderte Lucien und strich sich gedankenverloren das Hemd glatt. "Er lässt nie jemanden zusehen. Ein Mal hat er mich bemerkt, da hat er das Mädchen schnell über den Tisch gebeugt und sie von hinten genommen. Sie hat gejammert und ich glaube, er hat zum Schluss nur so getan, als wäre er gekommen. Es war irgendwie...." Lucien zupfte sich etwas von seinem Hemd. "...gruselig. So als hätte er nichts dabei gefühlt."
Balthasar zuckte teilnahmslos mit den Schultern. "Es ist einfach seine Art. Nicht jeder ist so leidenschaftlich wie du."
"Oder du", schoss Lucien zurück.
Balthasars Mimik wurde starr.
"Ich habe dein Gesicht gesehen, als du sie geküsst hast.....in der Küche, gestern Abend. Und auch an dem Tag, an dem ich wiederkam, weißt du noch? Du lehntest an dem Tisch, sie stand zwischen deinen Beinen und du hattest die Hände in den Stoff ihres Kleides gekrallt..."
"Halt den Mund, Lucien." Balthasars Stimme hatte nun jenen ruhigen, aber klirrend kalten Tonfall, der jeden, der ihn kannte, warnte, nun keinen falschen Schritt mehr zu wagen.
"Du hast noch nie zuvor eine von ihnen geküsst. Ich habe gesehen, wie zärtlich du..."
"Lucien, noch ein Wort...", flüsterte Balthasar. "...und ich lasse meine Wut an ihr aus. Und du als ihr großer strahlender Held willst das doch bestimmt nicht...oder ?"
"Besser ein Held als ein Feigling", stieß Lucien tonlos hervor.
Balthasar schluckte hart, als Luciens Worte ihre Wirkung nicht verfehlten. "Die Unterhaltung ist hiermit beendet", sagte er dann. "Und ich will nie wieder etwas über dieses Thema hören."
Eine ganze Weile lang starrten sie sich an, zwei unnachgiebige Dickköpfe, beide das Kinn arrogant nach vorn gereckt. Schließlich gab Lucien nach. Er schnaufte abfällig, machte eine wegwerfende Handbewegung und schob sich an seinem Bruder vorbei.
"Dumm nur, dass ich in deinem Gesicht lesen konnte, wie in einem offenen Buch...", murmelte Lucien, als er das Zimmer verließ. Balthasar sah aus, als würde er aufbrausen, hinter seinem Bruder herstürzen und ihm sonst etwas antun, doch schließlich blieb er einfach nur schwer atmend zurück.
"Nie wieder...", flüsterte er dann. "Glaub mir, Bruder.... nie wieder." Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet, als auch das Zimmer wieder verließ.
Jeanne schälte sich aus dem Vorhang, lugte in den Flur und als sie niemanden sah, hastete sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Auf gar keinen Fall wollte sie den Verdacht erregen, dass sie dieses Gespräch belauscht haben könnte. Oben angekommen, ließ sie sich mit klopfendem Herzen auf ihr Bett sinken. Lucien hatte nicht gelogen! Nun, da er seinen Bruder ebenfalls darauf angesprochen und ihn nach seiner plötzlichen Leidenschaft fürs Küssen befragte hatte, glaubte Jeanne ihm, dass Balthasar mit ihr eine Ausnahme machte. Sie zog die Stirn kraus. Das Wort "Ausnahme" passte nicht wirklich. Denn sie hatte nicht das Gefühl, dass er sich bei ihr extra anders verhielt, sondern sich einfach so benahm, wie es sich richtig zwischen ihnen beiden anfühlte. Und ihre Küsse fühlten sich mehr als richtig an... Jeanne lächelte versonnen, als daran dachte.
Und dann zuckte sie plötzlich zusammen, als eine aufgebrachte Stimme durchs Haus schallte.
"Wer von euch drei Dummköpfen hat das Reh in die Küche geschleppt?"
Jeanne trat auf die Galerie und sah Victor in der Eingangshalle stehen. Er war immer noch blutverschmiert und nur halb bekleidet.
"Herrgott, Victor", rief Lucien, der aus einer anderen Richtung die Galerie entlangkam. "Du rennst ja immer noch herum wie ein Kannibale vom Amazonas"
Jeanne verstand kein Wort, Victor hingegen grinste, als habe man ihm ein Kompliment gemacht.
"Was ist denn los?", hörte sie Balthasars Stimme, der wohl aus einem der Wohnzimmer kam.
"Das Vieh blutet die ganze Küche voll!"
"Honigkäfer?" Balthasar
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