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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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unter Freundschaft verstand: eine Mischung aus Toleranz, Vertrauen und Zusammenhalt.
    »Wir könnten uns am Donnerstag um neun Uhr früh vor dem Zwiesler Gymnasium treffen«, schlug sie vor. »Donnerstags geht Hans am Mittag mit seinem Kollegen zum Weißwurstessen. Ich habe den ganzen Tag zur Verfügung.«
    »Und ich habe Neuigkeiten«, sagte Sprudel.
    »Sehr gut«, antwortete Fanni, » ich habe nämlich Fragen.«
     
    Um kurz vor elf Uhr stand sie in der Küche und quirlte Eischnee für einen Kirschauflauf, denn Leni liebte Mehlspeisen. Sooft Leni zu Hause war, sorgte Fanni dafür, dass Aufläufe, Eierkuchen oder süße Nockerl auf den Tisch kamen. Für Hans Rot musste sie dann extra ein Schnitzel braten oder Leberkäse bräunen.
    Als Fanni den Eischnee unter den Teig hob, steckte Leni den Kopf zur Tür herein.
    »Ich geh ein Stündchen Gassi«, rief sie. »Zum Essen bin ich wieder da.«
    Fanni nickte und schaltete das Backrohr an. Aus dem Kellergeschoss drang das Hupen das Wäschetrockners. Fanni rannte hinunter. Während sie die Socken zu Paaren sortierte, fragte sie sich, was Sprudel wohl für Neuigkeiten hatte. Seit Sonntag waren sicher alle möglichen Leute, die Annabel kannten, verhört worden. Als Erste hatten die Kriminalbeamten vermutlich die blonde Heide und Max den Hüttenwirt befragt. Die beiden mussten ja bis kurz vor Annabels Tod mit ihr zusammen gewesen sein. Oder hatte Annabel etwa nicht gemeinsam mit Heide die Mittagsgäste in der Schutzhütte bedient? Rudi – oder war es Sepp – hatte doch gesagt, Severin habe seine Freundin am Morgen zur Arbeit gefahren. Eben.
    Was hat eigentlich Severin gemacht, während Annabel Sonntagsbraten servierte?, überlegte Fanni. Ist er wieder weggefahren oder ist er geblieben? Sie seufzte. Sprudel wird hoffentlich Antworten darauf wissen.
    Eilig lief sie mit einem Wäschekorb voller Sockenpaare nach oben und räumte sie in die Schubladen des Schlafzimmerschrankes. Gleich darauf stand sie wieder in der Küche.
    Das Spiegelei neben der Leberkässcheibe begann gerade zu stocken, da trat Hans Rot in die Küche.
    »Ist die Leni verrückt geworden?«, bellte er.
    Fanni sah ihn perplex an.
    »Unser Kind spaziert mit dem Böckl-Bankert und seinem Köter die Erlenweilerstraße herauf«, klärte er sie auf.
    Fanni warf einen Blick aus dem Küchenfenster und konnte beobachten, wie der Sohn ihrer Nachbarn von schräg vis-à-vis Leni kurz umarmte, seinem Hund ein Kommando zurief, kehrtmachte und davonging. Eine Minute später schlug die Haustür zu.
    Fanni trug das Essen auf.
    »Du bist voller Hundehaare«, hörte sie die vorwurfsvolle Stimme ihres Mannes aus dem Flur, als Antwort darauf vernahm sie das Klappern der Kommodentüren. Leni suchte nach der Kleiderbürste.
    Hans Rot kam ins Esszimmer und setzte sich schnaubend vor seinen Teller.
    »Wie kannst du dich bloß mitten in Erlenweiler mit dem Böckl-Strolch sehen lassen?«, fauchte er, als Leni eintrat. »Was sollen die Leute denken?«
    »Hat Jonas Böckl was ausgefressen?«, fragte Leni gleichgültig und nahm sich vom Auflauf.
    »Davon kannst du ausgehen«, antwortete Hans Rot. »Der Bub ist ein Schlawiner, ein Gauner wie der Büchsen-Böckl, sein Vater, der ganz allein dafür verantwortlich ist, dass einer unserer redlichsten Nachbarn hinter Gittern sitzt.«
    Fanni stutzte. Das war neu. Bisher hatten Hans Rot und andere Sympathisanten ihr die Schuld daran gegeben, dass dieser Nachbar ins Gefängnis gewandert war. Denn Fanni hatte gemeinsam mit Sprudel herausgefunden, dass er die Jungbäuerin Mirza in Fannis Garten getötet hatte. Für eine Weile standen damals alle Erlenweiler Männer unter Verdacht, die in der Nähe des Kleinhofs wohnten, auch Böckl. Aber Böckl hatte Mirza nicht angefasst. Was also, fragte sich Fanni, trug Böckl für eine Schuld?
    Sie fragte ihren Mann.
    »Denk doch mal eine Sekunde lang nach«, antwortete der unwirsch. »Böckl hat Mirza auf den Kleinhof gebracht. Er hat sie mit dem Bene verkuppelt, damit sie einen deutschen Pass bekommt, und dann hat er grinsend zugesehen, wie Mirza den armen Nachbarn so weit in die Enge trieb, dass der keinen anderen Ausweg mehr wusste, als sie zu erschlagen.«
    »Großer Gott«, stöhnte Fanni.
    »Nein, wirklich«, sagte Leni. »Das ist ja schlimmer, als hätte Böckl selbst zugeschlagen.« Sie sprach ernst, aber ihre Augen funkelten voller Spott.
    Hans Rot merkte nichts. Er nickte seiner Tochter mit aufkeimendem Wohlwollen zu und tunkte die Reste seines Spiegeleis

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