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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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diesen Abend genug Alkohol konsumiert, wünschte sie Max und Heide eine gute Nacht und steuerte auf den Flur hinaus. Die Tür, auf der jemand mit einem Lötkolben das Wort »Männerkammer« eingebrannt hatte, ließ sie links liegen und wandte sich der gegenüberliegenden zu.
    Sprudel war Fanni auf dem Fuß gefolgt, griff nun an ihr vorbei und öffnete die Tür. Fanni trat in die Weiberkammer, drehte sich dann zu ihm um und sagte: »Schlaf gut, Sprudel.«
    Er sah sie an wie Adam den Apfel.
    »Feste Vereinbarung«, nuschelte Fanni und stolperte dabei über drei der sechs Silben.
    Sprudel nickte halbherzig, machte einen Schritt zurück und schloss die Tür.
    Fanni sah sich um.
    In der Weiberkammer standen fünf Betten, und damit erschöpfte sich die Einrichtung abgesehen von einem Bord an der Fensterwand. Darunter lehnte ihr Rucksack. Er drehte sich rasend schnell um die eigene Achse, und auch die Betten fuhren Karussell. Auf dem Kopfkissen des Nachtlagers, das ihrem Rucksack am nächsten stand, rotierte ein kleines Tütchen aus Klarsichtfolie. Fanni haschte danach, erwischte es beim zweiten Versuch und hielt es sich vor die Augen. In dem Tütchen befanden sich Schokoladeherzen.
    Von Sprudel?
    Von wem sonst!
    Fanni verstaute das Präsent gerührt in ihrem Rucksack. Dann beschloss sie, das Zähneputzen ausfallen zu lassen, schlüpfte aus der Kleidung und kroch in ihren Schlafsack.
    Na, Fanni, hat sich der Abend am Stammtisch gelohnt? Weißt du jetzt, wer Annabel und Irina auf dem Gewissen hat?
    »Orks? Riesenkäfer? Der Hund von Baskerville?«, lallte der einzige Logiergast in der Weiberkammer.
    Du bist besoffen, Fanni.

6
     
    Dieser Logiergast trat am folgenden Tag so gegen halb zehn Uhr früh etwas verknautscht an den Stammtisch, wo Sprudel vor einer Tasse Kaffee saß.
    Er wünschte Fanni einen guten Morgen, warf ihr einen abwägenden Blick zu, verkniff sich ein Grinsen und bestellte bei Heide Tee und Zwieback. Fanni roch den Kaffee in Sprudels Tasse, sah das Käsebrot auf seinem Teller und ging kotzen.
    Danach fühlte sie sich geringfügig besser. Sprudel nötigte ihr den Zwieback auf.
    »Möchtest du dich noch mal hinlegen oder lieber an die frische Luft gehen?«, fragte er, während Fanni eine Scheibe annagte.
    »Luft«, ächzte sie.
    Sprudel ließ sich von Heide Tee in seine Thermoskanne füllen und packte zwei Butterbrote ein. Fanni kämpfte sich in ihre Wanderschuhe, schulterte ihren Rucksack und verließ die Hütte. Draußen wartete sie auf Sprudel.
    »Wollen wir zum Rukowitzschachten laufen?«, fragte Sprudel. Fanni nickte kraftlos.
    »Es kommt sehr häufig vor«, meinte Sprudel, »dass sich Ermittlungen als extrem strapaziös erweisen.«
    Fanni gab einen gurgelnden Laut von sich, den Sprudel zu Recht als Schmähung auslegen durfte.
    Die Morgenluft wehte den Schnapsdunst weg, und die halbe Stunde Fußmarsch bis zum Schachten brachte Fannis Blutzirkulation und ihre Muskelfunktionen in Schwung. Nur der Magen spielte noch den Gekränkten.
    Sie setzten sich auf die Bank oberhalb des Weges, der den Schachten querte, und rasteten. Fanni bettete den Kopf an Sprudels Schulter.
    Nach einiger Zeit fragte er: »Weiter?«, denn es ging langsam auf Mittag zu.
    »Ein großes Stück weiter«, antwortete Fanni, und erhob sich. Unterhalb des Rukowitzschachten bogen sie in einen Wanderweg ein, der bis zum Rachel verlief.
    »Rachel 8 Std«, stand auf dem Holzschild, dessen zugespitzte Seite nach Südosten wies.
    »So weit nun auch wieder nicht«, sagte Fanni.
    Sprudel lachte. »Wenn man diesem Weg ein Stück folgt und sich dann Richtung Osten durch den Wald schlägt, müsste man laut Wanderkarte an die Grenzschneise gelangen, die über den Gipfel des Lackenberg nach Eisenstein verläuft.«
    »Verboten«, antwortete Fanni. »Niemand darf sich im Kerngebiet des Nationalparks einfach durch den Wald schlagen.«
    »Wenn der Nationalparkranger seinen Rausch ausschläft, tanzen die Wanderer auf dem Moos«, feixte Sprudel und verließ den markierten Weg.
    Es erwies sich als gar nicht so einfach, im Gestrüpp der Nationalparkwildnis vorwärtszukommen. Entwurzelte Bäume blockierten kreuz und quer den Durchgang und mussten umgangen, überklettert oder sonst wie bewältigt werden.
    Nach einer guten Stunde Anstieg entdeckte Sprudel einen der weiß-blauen Grenzpfosten. Sie folgten den Stangen bergwärts, und nach wenigen Minuten traten sie auf eine sonnenbeschienene Wiese. Sprudel drehte sich zu Fanni um und nahm ihre Hand.
    »Schau«,

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