Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
Vom Netzwerk:
Irina ausgehorcht«, staunte Fanni, »und er hat dir etwas darüber erzählt?«
    »Wenn du dir genug Zeit nimmst und auch noch seine Waffensammlung besichtigst, dann erzählt dir Jonas alles, was du hören willst.«
    Leni nahm eine Packung Kekse aus dem Fach, in dem Fanni das Naschwerk aufbewahrte, und schaltete die Espressomaschine ein. »Cappuccino?«, fragte sie.
    Fanni nickte zerstreut. Hatte sich Leni, die Pazifistin, die Waffenhasserin, Jonas’ Schießprügel nur deshalb angesehen, um für ihre Mutter Informationen zu sammeln, oder steckte da noch etwas anderes dahinter?
    Fanni nahm die volle Tasse, die Leni ihr reichte, trug sie zum Esstisch und setzte sich davor.
    Es lässt sich nur eine einzige Motivation denken, die logisch begründet, warum sich Leni Flinten anschaut. Deine Tochter hat sich in Jonas Böckl verknallt. Weiß der Himmel, warum.
    »Ich hatte keine Ahnung, was es alles für Schießeisen gibt«, fuhr Leni fort. »Im Keller der Böckls steht ein riesiger gepanzerter Schrank voller Gewehre. Das Prunkstück ist eine Winchester aus dem Jahr 1897.«
    Weil von Fanni keine Reaktion kam, sah Leni ihre Mutter scharf an. »Fehlt dir was, Mama?«
    »Ich … ich«, stotterte Fanni, »ich dachte, du verabscheust Waffen.«
    »Tu ich auch«, antwortete Leni, »ebenso verabscheue ich gefährliche Viren. Gleichwohl kultiviere ich sie, wenn es sein muss.«
    Fanni begriff. Trotzdem! Um Waffen zu besichtigen, hätte Leni auch mit Hans Rot zum Schützenhaus fahren können. Sie atmete durch und fragte: »Wie kommt Jonas an diese Raritäten?«
    »Solche Stücke tauchen immer wieder mal auf dem Schwarzmarkt auf, vor allem Tschechien erweist sich als ergiebige Quelle für Waffen aller Art. Außerdem spricht sich in Sammlerkreisen schnell herum, wenn was Attraktives zum Verkauf steht. Jonas und sein Vater gelten als solvente Kunden.«
    Fanni nickte und schluckte das Wort »illegal« hinunter.
    »Kennst du eigentlich den Unterschied zwischen Pistole und Revolver, Mama?«
    Fanni seufzte. Leni muss vor lauter Verliebtheit irre sein, dachte sie, sonst würde sie mich so was nicht fragen.
    Lenis Frage war ohnehin rhetorisch gemeint, denn sie fuhr fort: »Beim Revolver wird das Magazin als drehbare Trommel eingearbeitet.«
    Revolvere – zurückdrehen, umwälzen, kramte Fanni verstaubte Lateinvokabeln aus ihrem Gedächtnis.
    »Jonas besitzt zwei Revolver«, sagte Leni, »einen von Smith and Wesson und einen von Colt, mindestens dreißig Jahre alt, alle beide.«
    Fanni sah ihre Tochter bekümmert an. Leni nahm sich einen Keks, biss hinein und kaute. Fanni schien es für einen Moment, als müsste sich ihre Tochter ein Grinsen verkneifen.
    Weshalb?
    Fanni entschied, sich getäuscht zu haben. Ganz sicher hatte sie sich getäuscht, denn Leni aß nachdenklich den Keks auf, dann berichtete sie weiter: »Jonas hat mir seine Polizeipistolen gezeigt, die Walther P 1, die Walther PP und die Walther PPK. PPK bedeutet ›Polizei Pistole Kriminal‹.«
    Fanni wiederholte leise: »Polizei Pistole Kriminal«, und meinte dann: »Hört sich verdreht an, so als würde man sagen: Schirm Ständer Regen.«
    Leni prustete, überlegte einen Augenblick und wartete mit »Kraft Werk Heiz« auf.
    Fanni konterte mit »Blumen Stängel Butter«. Leni bog sich vor Lachen. Bevor sie »Beeren Gelee Wald« komplett herausbringen konnte, tönte ein für den Erlenweiler Ring unübliches Knattern von der Straße herein.
    Beide reckten den Hals, um aus dem Fenster blicken zu können. Sie sahen einen etwas altertümlichen Motorroller vorbeizuckeln und vor Böckls Einfahrt anhalten. Als der Fahrer den Helm abnahm, erkannte Fanni in ihm den Nachbarssohn.
    »Jonas«, rief Leni im selben Augenblick. »Womit kurvt der denn herum? Woher hat er denn …? Na, da frag ich ihn doch auf der Stelle.«
    Sie stürmte hinaus.
    Fanni schaute durch das Fenster zu, wie sie Jonas abfing und lachend auf den Roller deutete. Plötzlich wurde sie ernst, schüttelte ein paarmal den Kopf, schlug sich erschrocken die Hände vor den Mund. Nach einer Weile nickte sie und eilte zum Haus der Rots zurück.
    »Jonas’ BMW ist zu Schrott geschlagen worden«, teilte sie Fanni mit.
    »Geschlagen?«, fragte Fanni verdattert.
    »Mit einem Vorschlaghammer vermutlich«, sagte Leni und begann zu berichten, was sie soeben erfahren hatte: »Jonas war heute in Tschechien zur Jagd. Auf dem Rückweg hat er seinen BMW in Böhmisch Eisenstein in der Nähe des Spielcasinos geparkt, weil er noch Zigaretten und

Weitere Kostenlose Bücher