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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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verloren. Du bist plemplem, meschugge, völlig durchgedreht.
    Fanni zuckte zurück, als etwas Kleines, Warmes, Weiches in ihre Hand schlüpfte.
    »Oma?«

8
     
    »Oma, frierst du?«
    Fanni saß auf einem Polster im Keller und konnte nicht aufhören zu zittern. Max hatte sie vor wenigen Minuten in seine geheime Höhle im hintersten Winkel des Kellerraumes geführt. Der Unterschlupf bestand aus einem Karree von Matratzen und besaß ein Dach aus Planen und Decken. Max hatte eine Taschenlampe angeknipst und Fanni durch den schmalen Eingang gelotst. Drinnen war es erstaunlich warm und gemütlich. Auf dem Boden lag ein Flokatiteppich, darauf türmten sich Kissen. An einer Seite verlief ein Brett auf vier Klötzen, auf dem, so registrierte Fanni, sich alles Notwendige befand, um Tage, wenn nicht Wochen zu überstehen. Es gab Schokolade und Kekse, Knäckebrot und Saft, Bilderbücher, einen kleinen Kassettenrekorder …
    »Und das ist Erwin«, hatte Max gesagt und auf einen Plüschteddy gedeutet. »Das hier ist sein Haus. Wir haben es extra für ihn gebaut. Und ich darf immer herkommen, wenn ich mag.«
    Der Teddy saß auf einem Campingstuhl, trug eine Brille und hielt ein Buch in den Pfoten. »Männer an den Herd«, las Fanni auf dem Cover.
    Sie kannte den Teddy. Sie wusste, dass er sie stehend um eine Handbreite überragte. Fanni kannte auch das Buch.
    Der Teddy war vor ungefähr neun Monaten ins Haus gekommen, genau gesagt am vergangenen Weihnachtsfest. Leo hatte das Plüschmonster für Max und Minna angeschleppt, und Minna hatte sich davor gefürchtet. Damit beantwortete sich die Frage, wer mit Max zusammen diese Behausung für Erwin gebaut hatte.
    Bei dem Kochbuch handelte es sich um Veras Weihnachtsgeschenk für Leo, und Erwins Brille sah exakt so aus wie die, nach der Hans Rot seit Monaten suchte.
    Fanni hatte sich auf eines der Polster sinken lassen, die auf dem Flokati lagen.
    »Du bist aber heute Erwin schon sehr früh besuchen gegangen«, sagte sie.
    Max nickte ernsthaft. »Wo alle noch geschlafen haben.«
    »Warum?«, fragte Fanni.
    Max erklärte ihr, dass er am Morgen aufgestanden sei, aber gleich gemerkt habe, dass er als Einziger wach war. Deshalb habe er sich zu Erwin in die Höhle aufgemacht.
    »Ich habe mir TKKG angehört. Aber auf einmal ist mir schlecht geworden. Ich hab sogar ein bisschen gespuckt – schau.« Er zeigte auf eine kleine Pfütze in der Ecke. »Mir war so schlecht, Oma. So furchtbar schlecht, dass ich gar nicht mehr zu euch hinaufgehen konnte. Ich konnte mich bloß noch auf das Fell da legen. Und dann, glaub ich, bin ich eingeschlafen.«
    »Geht’s dir jetzt wieder besser?«, fragte Fanni.
    »Klar, machst du mir Kirsch-Eierkuchen?«
     
    Vera stürzte sich auf Max und drohte ihn zu erdrücken, als Fanni mit ihm ins Wohnzimmer trat.
    Fanni eilte zum Telefon.
    Sie verständigte die Polizei, Hans Rot und Bernhard, dass Max gefunden sei. Dann ging sie in die Küche und begann, Eier mit Milch und Mehl zu verquirlen. Max sollte seine Pfannkuchen – die man hier Eierkuchen nannte – bekommen.
    Hans Rot und Bernhard kehrten zurück und mit ihnen ein Pulk Leute. Halb Klein Rohrheim hatte inzwischen nach Max gesucht.
    »Das muss gefeiert werden«, verkündete Hans Rot. »Max ist wieder aufgetaucht! Und niemand hat ihm ein Haar gekrümmt! Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist!« Er begann Stühle ins Wohnzimmer zu tragen, sodass alle Platz fanden. Bernhard kam mit einem Kasten Bier aus dem Keller, und Vera verteilte Gläser.
    Max trollte sich in die Küche zu Fanni. Er aß zwei Pfannkuchen mit Kirschkompott, dann begann er, ein Legohaus zu bauen.
    Die Kirchturmuhr von Klein Rohrheim schlug eins.
    Aus dem Wohnzimmer tönte Gelächter. Die Party kam in Schwung. Der Metzger eilte aus dem Haus und kehrte gleich darauf mit einer Schüssel voll Würstchen zurück.
    Fanni legte sie in heißes Wasser.
     
    Ich muss duschen, dachte Fanni. Sie spürte, wie sie aus allen Poren nach Panik stank.
    Aber zuvor musste sie Sprudel anrufen.
    Niemand würde sich im Moment dafür interessieren, mit wem sie da draußen im Flur telefonierte.
    Sprudel hob beim ersten Klingelton ab.
    Fanni begann sofort mit ihrem Bericht und hörte Sprudel aufatmen, als ihm klar wurde, dass Max unversehrt wieder aufgetaucht war.
    »Ruh dich ein wenig aus«, sagte er zu Fanni. »Ich kann mir denken, wie gerädert du bist. Ich würde dich gern im Arm halten.«
    »Ich stinke«, sagte Fanni.
    Sprudel lachte erwärmend, und Fanni begriff,

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