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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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dass es ihm nichts ausmachen würde. »Sprudel«, fuhr sie fort, »ich habe keine Ahnung, wann ich hier wieder wegkomme. Und du wirst übermorgen abreisen. Wer weiß, ob wir uns vorher noch mal treffen können.«
    »Wir werden uns treffen«, sagte Sprudel bestimmt. »Vor übermorgen oder nachher. Ich habe schon gestern mit dem Gedanken gespielt, noch eine Woche Urlaub dranzuhängen. Das Zimmer ist sowieso nicht anderweitig vergeben. Seit heute Mittag ist es ausgemacht: Ich bleibe!«
    Fanni schluckte: So war er, ihr Sprudel. Sie konnte auf ihn zählen. Mit Hans Rot verhielt es sich meistens umgekehrt, er zählte auf sie, und er gestand es sich nicht einmal ein.
    »Hgm«, sagte sie.
    Sprudel gluckste leise, dann antwortete er: »Wegen Fanni Rot aus Erlenweiler bleibe ich natürlich nicht extra hier. Was mich hält, sind zwei junge Mädchen – tot, zugegeben. Und ich will wissen, wer sie auf dem Gewissen hat. Du nicht auch?«
    Fanni nickte, über ihre Wangen liefen Tränen. Sprudel konnte weder das eine noch das andere sehen, was aber gar nicht nötig war, weil er es wohl ohnehin wusste.
     
    Als Fanni in die Küche zurückkam, fand sie Leni dort vor einer Tasse Kaffee. »Papa will noch länger hierbleiben«, sagte sie und verdrehte die Augen in Richtung Wohnzimmer.
    »Wieso denn?«, fragte Fanni. »Bernhard fehlt so gut wie nichts, und mit Mäxchen ist auch wieder alles in Ordnung.«
    »Eben«, antwortete Leni. Sie stand auf und fing Hans Rot ab, der gerade aus dem Wohnzimmer trat und auf die Toilette zusteuerte. »Papa, es reicht. Wir fahren jetzt. Ich muss noch heute nach Nürnberg, dringend.«
    Sie drehte in Richtung Treppe ab, und Fanni hörte sie das Wort »Auswerten« murmeln und den Namen »Jonas«.
    Hans Rot rief seine Tochter zurück. Er winkte sie in die Küche und sagte: »Es geht nicht.«
    »Was geht nicht?«, fragte Leni.
    »Ich habe Vera versprochen, den Keller auszumisten, damit nicht noch mal eins der Kinder stundenlang verschwinden kann. Das bedeutet einen Haufen Arbeit, und Bernhard wird mir keine Hilfe sein. Er kann ja nicht zupacken mit seinem angebrochenen Handgelenk«, erklärte Hans Rot.
    Leni starrte ihn an. »Ist mir entgangen, dass das Kreiswehrersatzamt in Birkdorf nun endgültig wegrationiert wurde?«
    Hans Rots Miene bekam einen säuerlichen Zug. »Birkdorf ist und wird nicht geschlossen. Bei uns laufen die Fäden aus dem gesamten Bezirk zusammen. Wir in Birkdorf«, sagte er streng, »arbeiten effizienter als eine Menge anderer Institutionen, und unsere Arbeit wiegt, im Gegensatz zu der von Bücherwürmern und Reagenzglasfüllern, substanziell für Staat und Gesellschaft.«
    Großer Gott, dachte Fanni, »wiegt substanziell«, wo hat er das denn her? Stammt das aus dem Fortbildungsseminar von neulich?
    Sie sah Leni breit grinsen.
    »Zudem«, fuhr Hans Rot schulmeisterlich fort, »haben meine zwei Kollegen und ich im Amt Birkdorf den Arbeitsablauf derart effizient –«
    Wusst ich’s doch, dachte Fanni, neue Wörter gelernt!
    »– gestaltet, dass es keine Störung verursacht, wenn einer von uns überraschend einige Tage freinehmen muss, wegen Krankheit, dringender Familienangelegenheiten, wie auch immer.«
    »Wie auch immer«, hakte Leni ein, »ich muss noch heute nach Nürnberg, wegen dringender Arbeitsangelegenheiten.«
    Hans Rot trank einen Schluck von dem Kaffee, den sich Fanni eingeschenkt hatte, und biss in das Hörnchen (vom Bäcker gesponsert), das sie dazu essen wollte. Plötzlich heiterte sich seine Miene auf.
    »Kein Problem«, sagte er mit vollem Mund, »du nimmst das Auto, fährst nach Nürnberg, und morgen kommst du hierher zurück. Du kannst auch übermorgen kommen oder erst am Wochenende. Ich habe vorhin mit dem Kollegen Senftl telefoniert und mir für den Rest der Woche freigenommen.«
    Fanni entglitt die Tasse, die sie gerade wieder füllen wollte, und sie klirrte auf den Unterteller.
    »Nicht so stürmisch, Fannilein«, grinste Hans Rot mit einem halben Hörnchen in der Backe.
    »Gut«, sagte Leni, »ich mach mich sofort auf den Weg, weil ich zuerst nach Erlenweiler fahren muss, um – äh – die notwendigen Unterlagen dort zu holen.«
    Hans Rot nickte desinteressiert.
    Leni wandte sich zur Tür, aber plötzlich blieb sie stehen. »Willst du nicht mitkommen, Mama?«, fragte sie. »Ich dachte, du bist für morgen beim Zahnarzt angemeldet.«
    Hans Rot horchte auf, und bevor Fanni antworten konnte, sagte er: »So einen Termin kann man doch verschieben. Ruf bei dem

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