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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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von Dämonen gehetzt – seit langer Zeit schon. Ihre Namen waren: Gier, Lebenshunger, Unvernunft, Torheit.
    Irina hatte alles dafür getan, um an einen Mann zu kommen, der ihre Wunschträume erfüllen würde. Paris, New York, die ganze Welt. Mit allen Mitteln hatte Irina ihr Ziel verfolgt. Sie brachte sogar drei Monate in einem Bordell in Cheb zu. So lange dauerte es, bis ihr etwas Entscheidendes aufging: Freier bevorzugen Billigware, weil sie selbst arme Hunde sind.
    Nach diesen drei Monaten hatte Irina eingesehen, dass in einem Bordell außer blauen Flecken nicht viel zu holen ist. Tripper stand noch auf der Angebotsliste, Aids und Allergien sowieso; reiche, galante, heiratswillige Männer dagegen nicht.
    Nun hätte man meinen können, dass Irina aus dieser Erfahrung lernen und reumütig zu Matyáš Labém oder zu dem Druckereibesitzer aus Kavrlik, der ihr ebenfalls den Hof machte, zurückkehren würde. Sie aber packte ihren Koffer und stieg in den Zug nach Bayrisch Eisenstein, als ob es zwanzig Meter hinter der Grenze Gold und Silber regnen würde.
    »Und während dieser Zugfahrt mutierte sie zur Nonne«, murmelte Sprudel fassungslos.
    Irinas Großmutter hatte wieder zu sprechen begonnen, und Fanni glaubte den Namen »Jonas Böckl« verstanden zu haben. Sie hielt den Atem an.
    Der Konzumchef debattierte eine Weile mit der Großmutter. Endlich begann er zu erklären: »Alena hier sagt, dass Irina sogar jungen deutschen Jäger abgewiesen hat. Jonas Böckl, Sohn von altes Böckl. Kommen oft zum Jagen her, Vater, Sohn. Bringen manchmal ganze Jagdgesellschaft mit. Altes Böckl ist zwischen Cheb und Krumlov überall bekannt.«
    Fanni konnte sehen, wie Sprudel blitzartig aufging, dass Fannis Nachbar Böckl aus Erlenweiler gemeint war.
    Eine Zeit lang hatte Irina dem jungen Böckl schöne Augen gemacht, erfuhren Fanni und Sprudel. Und prompt hatte er sie ausgeführt, rüber nach Susˇice ins Café. Aber schon bald hatte Irina verkündet, dass sie mit Jonas kaum besser dran wäre als mit Matyáš.
    Großmutter und der Konzumchef seufzten synchron.
    »Jonas Böckl ist für Irina armer Schlucker gewesen«, sagte der Konzumchef. Dann hörte er wieder Irinas Großmutter zu, lächelte nachdem sie zwei Sätze gesprochen hatte, und übersetzte: »Alena meint, die Irina hat bei junges Böckl nicht so großes Fehler gemacht. Weil, hat er Heiratsversprechen verteilt wie Saatkartoffel.«
    »Matyáš«, murmelte Großmutter Alena und wischte sich über die Augen.
    Der Konzumchef legte ihr die Hand auf den Arm. »Alena hat sich den Matyáš sehr, sehr gewünscht als Ehemann für Enkelkind. Hat immer gesagt zu Irina: ›Nimm Matyáš, ist stark wie Bär, geduldig wie Kamel und gutmütig wie Kindchen von Schaf.‹ Aber statt Hochzeit ist gekommen Unglück: Irina tot, Matyáš fort!«
    Eine Weile standen nun alle vier schweigend um die Kasse des Co-op-Konzum herum.
    Plötzlich trat die Großmutter ganz nah an Fanni heran, sah ihr in die Augen und sagte mit schwerem Akzent: »Du gewusst von Dämon. Du erklären Polizei!« Dann verließ sie grußlos den Laden.
    Fanni und Sprudel verabschiedeten sich vom Konzumchef und traten auf den verlassenen Kirchplatz hinaus.
    »Fanni«, sagte Sprudel, »bevor ich über Gespenster als Mordwaffe nachdenken kann, muss ich mich stärken. Am besten mit Kaffee und Kuchen.«
    »Nichts zu machen«, sagte Fanni und deutete auf das einzige Café auf dem Platz. Die geschlossenen Rollläden übermittelten eine klare Botschaft.
    Sprudel schloss den Wagen auf. »Susˇice!«, sagte er. »Schüttenhofen! Die Bezirksstadt – gut fünfmal so groß wie Bergreichenstein – liegt nur sechs Kilometer nördlich der Brücke über die Otava, über die unser Rückweg nach Zelezná Ruda verläuft. In Schüttenhofen muss es Cafés geben: Liwanzen, Zwetschgenbavesen, Topfenstrudel und dazu Milchkaffee.«
     
    Sie parkten in Schüttenhofen neben der reich bemalten Renaissance-Apotheke. Der Kirchplatz davor zeigte sich weiträumiger, eindrucksvoller, doch nur wenig belebter als der von Bergreichenstein.
    »Hier scheinen die Goldminen länger vorgehalten zu haben«, sagte Fanni, als sie an der Fassade des Böhmerwaldmuseums entlangschritten.
    »Ja«, erwiderte Sprudel, »aber hier gab es nur weißes Gold – und Getreide.«
    »Weißes Gold?«, überlegte Fanni laut. »Salz! Der Salzhandel auf dem goldenen Steig hat Schüttenhofen reich gemacht.«
    »Das Salz und die Zündholzfabrik«, sagte Sprudel und deutete auf einen halb

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