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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Kasˇperské Hory ist in Podlesistraße, gehört Matyáš Labém.«
    Sprudel tat, als würde ihn der Name an etwas erinnern. »Hat Herr Labém nicht einen Sohn?«
    »Ja, den Matyáš«, antwortete der Mann.
    »Richtig«, sagte Sprudel darauf, »ich habe von Matyáš gehört. Er war doch mit Irina Svetla zusammen.«
    Der Herr des Konzum seufzte. »Matyáš ist fort, schon paar Wochen. Sein Vater rauft sich Haar. Braucht ihn dringend in Backstube. Aber Matyáš ist einfach fortgegangen. Mutter hat immer und immer gesagt, Matyáš wird bald wiederkommen mit Irina zusammen und dann alles gut.«
    »Meinte Matyáš’ Mutter damit, die beiden würden heiraten?«, fragte Sprudel.
    Der Konzumchef nickte. »Matyáš hätte das so gern wollen. Aber die Irina …« Er seufzte noch mal. »Jetzt ist sowieso zu spät!« Dann begann er, sich weitschweifig über Irinas Unfall im Höllbachgspreng auszulassen. Offensichtlich hatte er noch mehr Zeit übrig als seine beiden Kunden. Niemand sonst hielt sich in dem Laden auf.
    »Aber«, meinte er abschließend, »Mutter Labém erzählt sich selber Lügen, wenn sagt, die Irina wär dem Matyáš seine Braut gewesen. Sie hat dem Buben nicht Chance lassen, so nicht und anders auch nicht.«
    Fanni fragte sich, ob der Konzumchef damit sagen wollte, dass Irina, egal ob tot oder lebendig, mit Matyáš Labém nichts zu tun haben wollte.
    »Kannten Sie das Mädchen?«, fragte Sprudel.
    »Wie sollte ich nicht kennen Irina?«, antwortete der Mann. »Ist da drüben geboren vor zwanzig Jahr.« Er deutete über seine Schulter, dorthin, wo zwischen dem Museum und dem Secondhandladen ein schmales Gässchen talwärts verlief. »Meine Frau ist Taufpatin von Irina«, fuhr er fort, »meine Enkeltochter hat mit Irina immer Strickweste getauscht.« Er starrte gedankenverloren aus dem Fenster.
    »Was störte Irina denn an Matyáš Labém?«, fragte Sprudel.
    Der Konzumchef fuhr mit der Hand über den fleckigen Tresen, als wolle er Matyáš Labém wie Unrat fortwischen. »Dass Bäcker aussieht wie riesiger Zottelbär und nicht reich ist wie Onassis. Kein Cabrio, keine Reise mit Flugzeug, kein Pullover mit Krokodil …«
    Womöglich hätte der Konzumchef die Liste von Matyáš Labéms Mängeln noch endlos fortsetzen können, aber Fanni unterbrach ihn. »Irina hatte wohl ein anderes Eisen im Feuer«, sagte sie.
    Der Konzumchef schüttelte traurig den Kopf. »Dummes Ding ist sie gewesen, die Irina, hätte Matyáš nehmen sollen – mit Handkuss. Hätte gutes Leben gehabt: Bäckerei, tüchtiges Mann, festes Patz in Gemeinde. Aber hat nicht wollen. Hat alles gegeben für heiraten richtig reich und dafür ist gestorben.«
    »Was hat Irina für eine reiche Heirat gegeben?«, hakte Sprudel ein.
    »Unschuld«, sagte der Konzumchef leise. »Ehre, Würde und am Ende Leben.«
    Fanni und Sprudel starrten ihn an.
    In diesem Moment ertönte die Ladenglocke.
    Eine alte Frau trat ein. Sie interessierte sich keinen Lidschlag lang für das Warenangebot des Co-op-Konzum, sondern trat auf die Gruppe an der Kasse zu und begann, mit dem Konzumchef tschechisch zu reden. Fanni blickte in ein Gesicht mit vielen Runzeln, die sich kreuz und quer verzweigten und deren Ausläufer vollzählig unter schwarzer Wolle verschwanden.
    »Ist Großmutter von Irina«, sagte der Konzumchef plötzlich. »Ist gekommen, um sagen, dass deutsche Polizei großes Fehler macht, wenn glaubt, Irina hat Unfall gehabt.«
    Woher, zum Teufel, weiß die Frau, was hier gesprochen wird?, dachte Fanni. KGB? Stasi? Ihr Blick irrte über den abblätternden Plafond. Wanzen? Sie sah Sprudel in den rückwärtigen Teil des Ladens äugen. Neben Pappkartons bewegte sich ein geblümter Vorhang. Ohren!
    Der Konzumchef begann zu übersetzen, was ihm Irinas Großmutter gesagt hatte.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Fanni und Sprudel begriffen, worüber die Großmutter sie in Kenntnis setzen wollte:
    Irina kannte den Wald, und der Wald kannte sie. In den Hügeln zwischen Arber, Rachel und Javornic hätte ihr so wenig geschehen können wie hier auf dem Kirchplatz. Niemals wäre sie Hals über Kopf in den Höllbach gestürzt, um dort zu ertrinken.
    Fanni nickte. War ihr dieser Gedanke nicht schon selbst gekommen? »Aber was«, sagte sie, »wenn Irina von Dämonen gehetzt worden wäre?«
    Irinas Großmutter zuckte zusammen. Sie hatte verstanden. Langsam begann sie zu sprechen. Stockend übersetzte der Konzumchef.
    Fanni und Sprudel traf die Antwort wie ein Unwetter.
    Ja, Irina wurde

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