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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Annabel umgebracht haben. Er hatte a) Motiv und b) Gelegenheit.«
    Sie stierte minutenlang den Stift in ihrer Hand an, dann kramte sie das Handy aus der Tasche und wählte Lenis Nummer. Ihre Tochter meldete sich sofort.
    »Cholerafall?«, fragte sie.
    »Wichtige Frage«, antwortete Fanni, »warst du an dem Tag, an dem ich Annabels Leiche auf dem Falkenstein gefunden habe, mit Jonas Böckl zusammen?«
    »Ja klar«, sagte Leni. »An dem Tag hat er mir doch alles erzählt, mittags war das. Er hat bei uns geklingelt, ich habe ihn hereingelassen, und er ist gut zwei Stunden geblieben. So hat es doch angefangen.«
    »So hat was angefangen?«, fragte Fanni.
    »Ich erzähl es dir am Wochenende zu Hause«, sagte Leni, »die neue Versuchsreihe nimmt es mir übel, wenn ich sie nicht ständig beachte.«
    Fanni verabschiedete sich schnell und wandte sich an Sprudel: »Als Annabel am Sonntag voriger Woche zwischen dreizehn und vierzehn Uhr oben auf dem Falkenstein starb, hielt sich Jonas Böckl in Erlenweiler, Haus Nummer acht auf.«
    »Acht«, wiederholte Sprudel verstört.
    »Das Haus der Familie Rot«, half ihm Fanni auf die Sprünge. »Hans Rot feierte in dieser Zeit in Eisenstein mit den Schützen, Fanni Rot entdeckte die Leiche auf dem Falkenstein, und Leni Rot hatte in ihrem Elternhaus eine mehrstündige Unterredung mit Jonas Böckl.«
    Sprudel schluckte, dann fragte er: »Worüber?«
    »Ich weiß nicht, warum sich Leni letztens öfter mit Jonas getroffen hat«, antwortete Fanni. »Aber was auch immer sich als Grund dafür herausstellt, es wird nichts an seinem Alibi ändern.«
    Fanni wusste erst nicht recht, ob sie darüber erleichtert sein sollte oder enttäuscht, dann aber gewann die Erleichterung allmählich die Oberhand.
    Sprudel nahm ihr den Stift aus der Hand und schrieb in der Zeile unter »b)« auf das Blatt: »c) Jonas Böckl ist im Fall Annabel durch ein stichhaltiges Alibi entlastet.« Er unterstrich den Satz, faltete den Bogen zusammen und verstaute das Papier wieder in der Brusttasche. Dann bat er das Serviermädchen um die Rechnung.
    »Ein Schritt nach vorne, zwei zurück«, sagte er zu Fanni, als sie über den Kirchplatz zum Wagen liefen. Fraglos meinte Sprudel damit nicht ihre Gangart.

12
     
    War Sprudel eingeschlafen? Fanni klopfte an seine Zimmertür.
    Sie hatten sich für halb sieben zum Abendessen in der Gaststube des Hotels verabredet. Fanni war die Treppe hinuntergelaufen, pünktlich auf die Minute, aber Sprudel saß nicht wie sonst an der Bar. Deshalb war sie umgekehrt und hatte an seine Tür gepocht.
    Auf sein Rufen hin trat sie ein.
    Sprudel kam in Freizeithose und T-Shirt aus dem Badezimmer. »Verzeih mir, Fanni«, bat er. »Mir ist vorhin der Gedanke gekommen, ins Polizeirevier rüberzufahren – auf einen Sprung nur. Ich wollte mich wirklich nicht lange aufhalten. Aber dann habe ich Kriminalkommissar Hofer getroffen, und er hatte interessante Neuigkeiten.«
    »Severins Laptop wurde geknackt«, riet Fanni.
    Sprudel nickte. »Und du hattest wieder einmal recht, Miss Marple.« Er zog sie in den geblümten Lehnstuhl und setzte sich ihr gegenüber auf einen Hocker. »Severin hat sich im Netz eine nette Einkommensquelle aufgebaut.«
    Fanni sah ihn gespannt an.
    »Er hat«, fuhr Sprudel fort, »unter dem Decknamen Azrael einen Callgirlring mit tschechischen Mädchen aufgezogen. Die Spezialisten von der Kripo fanden heraus, dass er seit knapp einem Jahr via Internet junge tschechische Mädchen an vornehme reiche Freier mit speziellen Wünschen vermittelte. Irina Svetla gehörte zu Severins Angebot an ›Honigbienen‹. Mit seinen eigenen Dateien konfrontiert, gab Severin unumwunden zu, was sich ohnehin nicht abstreiten ließ.«
    »Callgirlring«, sagte Fanni. »Deshalb ist Irina als Bedienung in der Zwiesler Waldhausalm geblieben. Zur Tarnung quasi. Aber wo ist sie ihrem Gewerbe nachgegangen?«
    »In Böhmisch Eisenstein. Sie hatte dort eine Wohnung angemietet. Seit der Grenzöffnung gibt es einen Wanderweg von Zwiesler Waldhaus über Ferdinandstal nach Böhmisch Eisenstein. Man braucht eine knappe Stunde für die Strecke. Irina schaffte sie bestimmt in kürzerer Zeit. Und natürlich hat sich niemand gewundert, wenn sie im Wald herumlief. Irina ging ja auch regelmäßig auf den Falkenstein.«
    »Wo vermutlich alles begann, weil sie dort – kurz nachdem sie die Stelle in der Zwiesler Waldhausalm angenommen hatte, um hier Fuß zu fassen – mit Severin zusammentraf«, überlegte Fanni laut.
    Sprudel

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