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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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hinauswillst?«
    »Scheint mir etwas kompliziert«, murmelte Fanni.
    »Mir auch«, sagte Sprudel, »und darum schlage ich vor, es mit Klartext zu versuchen.«
    Fanni nickte und schwieg.
    »Du gehst von der Annahme aus«, nahm Sprudel das Gespräch wieder auf, »dass Doc Haller ein undurchsichtiger …«
    »Halunke«, half Fanni aus.
    »… ein undurchsichtiger Halunke ist. Schaut man ihn von vorne an, erscheint er als seriöser Doktor der Biologie. Von rechts gesehen wirkt er wie ein alter, tattriger Opa, der sich nach Enkeln sehnt. Begegnet ihm einer von links, dann könnte derjenige einen Ausdruck von Bosheit an ihm entdecken.«
    Fanni strahlte. »Sprudel, du bist wie eine Sonne, die mein vernebeltes Hirn erhellt.«
    »Aber was zeigt uns diese Belichtung?«, entgegnete Sprudel. »Einen Menschen mit vielen verschiedenen Seiten. So sind wir doch alle!«
    »Trotzdem«, sagte Fanni. »Wir sollten diesem Doc noch mal auf Herz und Nieren prüfen. Interessiert es dich denn gar nicht, weshalb er dich so auf den Arm genommen hat?«
    »Unter Humor versteht halt jeder etwas anderes«, winkte Sprudel ab. »Bergwacht-Rudi erzählt schlüpfrige Witze und lacht sich schlapp darüber. Einer von den Nationalparkrangern sagt regelmäßig zu Heide: ›Komm her, unterhalten wir uns über Kunst. Kunst mir Geld leihen?‹, und er findet das zum Schreien komisch. Doc Haller gefällt es eben, einen pensionierten Kriminalbeamten hereinzulegen.«
    »Und wann lacht er darüber?«, fragte Fanni.
    Sprudel stutzte, dann lenkte er ein. »Gut, versuchen wir, uns über die Motive für diese Posse Klarheit zu verschaffen. Ich wüsste allerdings nicht, wie.«
    Nachdem beide den letzten Schluck ihres Rotweins getrunken hatten, sagte Fanni: »Wenn wir mehr über Doc Haller herausfinden wollen, sollten wir uns morgen trennen. Du begleitest ihn noch ein Mal beim Pflanzensammeln, und ich besuche inzwischen seine Frau.«
    »Morgen?«, schnaufte Sprudel. »An unserem letzten gemeinsamen Tag?«
    »Nur für zwei Stündchen«, hielt Fanni dagegen.
    »Du kennst seine Frau doch gar nicht«, meinte Sprudel. »Wie willst du denn dein Auftauchen vor ihrer Haustür erklären?«
    »Ich könnte …«, begann Fanni und versandete.
    Sprudel musste lachen. »Du könntest ihr die Brotzeitdose des Doc zurückbringen«, schlug er vor. »Er hat sie bei unserer letzten Wanderung an einem Rastplatz vergessen. Ich habe sie in meinen Rucksack gepackt und später nicht mehr daran gedacht, sie ihm zu geben. Die Dose ist in meinem Zimmer oben.«
    Fanni und Sprudel kamen überein, den folgenden Vormittag zu opfern, um Doc Haller auszuspionieren. Untergehakt stiegen sie die Treppe hinauf.
    »Aber mittags«, sagte Sprudel, »treffen wir beide uns im Dorfwirtshaus von Ludwigsthal. Und dort schließen wir die Akte Falkenstein zeremoniell.«
    Fanni nickte kräftig.
    Sprudel hielt sich inzwischen schon eine ganze Woche länger als geplant im Bayerischen Wald auf. Übermorgen würde er abfahren, und Fanni würde nach Erlenweiler zurückkehren.
    Seine Vortragsreise hat sich aber gelohnt, dachte Fanni, wir durften eine Menge Zeit miteinander verbringen. Und jede Minute davon hat uns Freude gemacht, auch wenn wir bei der Aufklärung der Todesfälle und der rätselhaften Infektionen kläglich versagt haben.
    Da habt ihr euch die Latte zu hoch gehängt!
    Schluss und aus mit Fanni Rots Karriere als Miss Bayerwald-Marple.
    Am Samstag kommt Hans Rot wieder zurück und mit ihm der triste Alltag in Erlenweiler!
    Mal halblang, da ist ja noch Leni. Und Leo besucht uns auch hin und wieder.
    Max und Minna nicht zu vergessen!
    Sie brauchen dich, und du brauchst sie, sagte sich Fanni wieder einmal. Sie lieben dich, und du liebst sie. Das Schicksal hat dir Sprudel als außerordentliche, kostbare Gabe zugedacht. Zeig dich dankbar, in dem du die Stunden mit ihm als Geschenk annimmst und dich nicht dazu verleiten lässt, mehr zu verlangen. Denn dann würdest du mit Sprudel in einem anderen Alltag enden.
     
    In dieser Nacht träumte Fanni von einem Wolpertinger, der Doc Hallers Brille trug und mit einem Kräuterbüschel winkend in einem Cabrio saß.
    Als sie aufwachte, zweifelte sie keinen Augenblick daran, dass ihr der Traum nur gezeigt hatte, was offensichtlich war. Der Doc war ein Wolpertinger. Er trieb ein falsches Spiel.
    Aufgrund einer seltsamen Art von Humor?, überlegte Fanni. Oder weil er Pflanzen selbst nicht auseinanderhalten kann und Sprudel sowie allen anderen nur irgendwelchen Unsinn

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