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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Fanni.
    Sehr gut, verwickle ihn in ein Gespräch! Hinhalten! Zeit gewinnen!
    Ich könnte ihm das Milchglas in die Visage …
    Vergiss das! Unterschätz ihn nicht! Er rechnet vermutlich mit einer Attacke!
    »So sind Sie draufgekommen, nicht wahr, Frau Rot?«, sagte Haller. Dann warf er sich in die Brust. »Ein Genius wie ich gibt sich doch nicht mit Unkraut ab. Ein Genius forscht. Und dafür muss er Risiken eingehen. Enorme Risiken.«
    Für wen hält der sich?
    »Aber der Kräutergarten«, entgegnete Fanni, »die Ringelblumensalbe, die Kräutertränke?«
    Haller deutete mit dem Daumen der freien Hand über seine Schulter. »Elsbeth. Kräuter waren Elsbeths Domäne. Der ganze Dachboden ist voll von getrockneten Pflanzen. Haben Sie den Dachboden nicht besichtigt, Frau Rot?« Er grinste. »Elsbeths Naturmedizin hat mir meine Forschungen sehr erleichtert. Wegen dieses ganzen Kräutertheaters vertrauen mir die Leute hier. Sie schlucken alles, was ich ihnen gebe. Freilich, Elsbeths Ringelblumensalbe ist nicht zu verachten. Ebenso wenig wie ihr Hustensaft aus Spitzwegerich, ihr Holunderlikör und natürlich ihr Baldriantrank – ganz zu schweigen von all den Teesorten, die sie auf Lager hat.«
    Haller nahm die Brille ab und blinzelte. »Sie hätten sich aus allem raushalten sollen, Fanni Rot. Habe ich Sie nicht oft genug gewarnt? Aber nichts war Ihnen eine Lehre. Gar nichts.« Er schob die Brille wieder an ihren Platz. »Nun gut, als ich Sie in der Kapelle am Finkenschlag eingesperrt hatte, konnten Sie viel zu schnell wieder entkommen. Ich dachte, Sie müssten die ganze Nacht in dem Bunker zubringen. Hatte damit gerechnet, dass die alte Hexe glaubte, sie selbst hätte die Tür bereits geschlossen. Erstaunt war ich allerdings«, fuhr Haller fort, »dass Ihnen mein Angriff im Stadtpark nicht zu denken gegeben hat. Sind Sie so dumm?« Er studierte Fannis Gesichtsausdruck. »Ah, Sie haben die Sache missdeutet. Und die Schokoladenherzen – sie waren ja eigentlich für Heide gedacht –, die haben ihren Zweck auch nicht erfüllt.«
    Die Schokoladenherzen hat dir der Doc aufs Kopfkissen gelegt, sie waren präpariert!
    Max! Max hat sie in meiner Handtasche gefunden.
    Und er hat das Stückchen abgebissen, das fehlte. Deshalb war ihm schlecht!
    Fanni fuhr hoch. Der Doc zielte mit der Spritze auf sie.
    »Sie hätten beinahe meinen Enkel ermordet!«, schrie Fanni. »Max ist gerade mal fünf.«
    Haller gluckste vor Belustigung. »Ein paar Staphylokokken bringen niemanden um, der ein intaktes Immunsystem hat, wie wir an Rudis Geburtstag auf der Hütte erleben durften. Ein kleines Kind? Hm, möglich. Das wäre dann aber Ihre Schuld gewesen, Frau Rot.« Er nahm ihr das leere Milchglas ab.
    Fanni steckte beide Hände in die Taschen ihrer Jacke. Die Linke ballte sie zur Faust, die Rechte krallte sie um das Handy, das sie darin fühlte.
    »Wirklich schade um Annabel«, seufzte Haller. »An dem Nachmittag, als sie einen ganzen Arm voll Blüten und Stängel auf dem Stammtisch ausbreitete, habe ich mir richtig Mühe gegeben, sie zufriedenzustellen. Aber das Mädel hatte sich zu gut vorbereitet. Ich konnte ihre Prüfung nicht bestehen.«
    »Nachdem Annabel Sie als Betrüger entlarvt hatte«, sagte Fanni, »hat sie sich gefragt, ob Sie Ihre Patienten vielleicht krank machen, statt ihnen zu helfen. Es gab auffällig viele Infektionen rund um die Hütte. Heides Blasenentzündung, die eitrigen Mandeln von Sepp …«
    Doc Haller nickte betrübt. »Annabel ist sehr böse geworden. Lange habe ich versucht, ihr alles zu erklären. Ihr zu vermitteln, wie wichtig meine Forschungen auf dem Gebiet der Bakteriologie sind. Ich habe ihr von Escherichia coli erzählt, von den unvergleichlichen Streptokokken, von Mycobacterium tuberculosis und Salmonella typhi. Und von den Antibiotika, die dagegen helfen, gegen die die Erreger aber bereits Resistenzen entwickeln. Aber Annabel hat meine Studie …«
    Fannis rechte Faust begann plötzlich zu zittern.
    Handy, lautloser Klingelton!
    Ich kann jetzt nicht.
    Heb ab! Heb einfach ab! Heb ab, heb ab!
    Fanni ließ ihren Daumen über die Tastatur gleiten, bis sie zwei Tasten fühlte, die ein Stückchen von den anderen entfernt nebeneinander angeordnet waren.
    Welche?
    Glückssache!
    Fanni drückte eine.
    »Annabel«, sagte Doc Haller gerade, »hat mich fürchterlich angeschrien. Sie werde mit all den Smarties, die sie noch habe, zur Polizei gehen.«
    »Wie kamen Sie eigentlich auf den Gedanken, Annabel mit Polio zu

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