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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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gehört?«, fragte er. »Vom Finkenschlag bis hinüber nach Flanitz wird gemunkelt, dass Severin Ruckerbauer ein Geständnis abgelegt hat.«
    »Severin hat den Totschlag an Annabel gestanden?«, fragte Fanni.
    Der Hotelier schüttelte den Kopf. »Seine Aussage soll aber etwas mit dem anderen toten Mädchen zu tun haben – Irina Svetla.«
    Fanni und Sprudel nickten. Darüber wussten sie Bescheid.
    »Ich begreife nicht«, fuhr der Hotelchef fort, »weshalb die Polizei partout nicht herausfinden kann, ob Severins Alibi, was den Mord an Annabel …« An der Rezeption begann das Telefon zu klingeln. Er eilte davon.
    »Da fällt mir ein«, sagte Fanni zu Sprudel, »Doc Haller hat kein Alibi für vorletzten Sonntag zwischen ein und zwei Uhr mittags – die Zeit, in der Annabel starb, wie du dich sicher erinnerst.«
    Sprudel hob die Augenbrauen. »Nicht?«
    »Nein«, sagte Fanni.
    Sie erklärte ihm, warum sie glaube, der Doc sei zur Tatzeit bereits auf dem Falkenstein gewesen, und endete mit Rudis Worten zur Rechtfertigung ihrer Theorie: »Am vergangenen Sonntag hätten wir beinah einen überfahren, gell, Doc?«
    Sprudel klappte seine Wangenfalten hierhin und dorthin.
    Jetzt denkt er aber enorm intensiv nach!
    Nach etlichen Minuten sagte er: »Vielleicht sollte ich doch ein Wörtchen mit Hofer reden.«
    »Gut«, antwortete Fanni. »Und bring ihm auch das hier mit.« Sie brachte zwei zusammengeknüllte Blätter Papier zum Vorschein. »Die muss ich ganz unbewusst in meine Hosentasche gesteckt haben.«
    »Namen«, sagte Sprudel, nachdem er die Blätter glatt gestrichen und eine Weile studiert hatte. »Namen, sonst nichts!« Er sah Fanni fragend an.
    »Bekannte Namen«, entgegnete Fanni. »Namen von Leuten, die an Infektionen leiden – oder litten. Das hier«, sie deutete auf »Willi Probst«, »könnte unser Typhuspatient sein.«
    »Irina Svetla fehlt«, stellte Sprudel fest.
    »Sprich mit Hofer«, sagte Fanni.
    Sprudel nickte. »Ich rufe ihn an, jetzt gleich.«
    Er strich sachte über ihre Hand, dann angelte er sein Handy aus der Brusttasche, stand auf und ging hinaus.
    Bereits fünf Minuten später kam er zurück. »Hofer ist gerade wegen einer Schlägerei im Stadtpark unterwegs. Ich soll ihn am eisernen Steg treffen. Der liegt …«
    Fanni wusste, wo der eiserne Steg lag: gleich hinter dem Gymnasium. Schon vor mehr als vierzig Jahren führte dieses Brückchen über den Weißen Regen in den Stadtpark. Am eisernen Steg hatte Fanni in den Sechzigern ihr erstes Rendezvous mit einem Schüler aus der Parallelklasse gehabt. Fanni war fünfzehn, der Junge ein Jahr älter. Beide schwänzten an diesem Tag den Nachmittagsunterricht und wurden prompt erwischt. Damals gab es Verweise. Was würde Fanni heute blühen?
    Eine Anklage?
    Sie war durch ein offenes Fensterchen in Doc Hallers Haus eingestiegen, unerlaubt und rechtswidrig. Sie hatte dabei in der Toilette dieses Hauses den Wandverputz beschädigt. Anschließend hatte sie sämtliche Räume des Hauses betreten. Zu guter Letzt war sie ins verschlossene Labor des Doc eingedrungen und hatte von dort Schriftstücke entwendet. Um ihre Flucht bewerkstelligen zu können, hatte sie das Gitter über einem Kellerschacht aus der Verankerung gerüttelt.
    Fanni erhob sich und folgte Sprudel aus der Gaststube.
    Er blieb am Fuß der Treppe stehen. »Ruh dich aus, Fanni. Ich werde Hofer alles erzählen und seine Fragen beantworten.«
    Fanni nickte erleichtert. Sprudel würde ein gutes Wort für sie einlegen.
    Er ging zur Tür, drehte sich dort jedoch noch mal um und sagte: »Lass vorsichtshalber dein Handy an, Fanni, falls es Unklarheiten gibt.« Dann war er weg.
    Fanni lief in ihr Zimmer hinauf, griff nach ihrer Jacke und ließ die Hand durch den offenen Reißverschluss in die Innentasche gleiten.
    Die fühlte sich leer an.
    Muss rausgefallen sein, ist ja offen gewesen!
    Fanni schüttelte den Kopf. Selbst bei offenem Reißverschluss hätte das Handy nicht einfach herausfallen können. Dazu war die Innentasche zu tief und zu schmal.
    Fanni dachte nach.
    Sie hatte das Handy im Laborraum herausgenommen und eingeschaltet. Und dann – hatte sie es in ihrer Hast bloß in die Außentasche gesteckt.
    Fanni schaute dort nach.
    Nichts.
    Hier hätte es leicht herausfallen können!
    Ich muss es verloren haben, als ich in den Kellerschacht gekrabbelt bin.
    Und da liegt es nun!
    Ich muss es holen. Sofort.
    Bist du jetzt komplett irre?
    Fanni blickte aus dem Fenster. Es regnete immer noch so stark, dass es

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