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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Staatspolizei - und er war ein alter Bekannter Marlenes, im schlechtesten Sinne. Das Einzige, was noch größer war als sein Ehrgeiz, war seine Grausamkeit - wie Marlene schon am eigenen Leib erfahren hatte.
    Reflexartig war sie bei Greiffs Auftauchen hinter der gleichen Stechpalme verschwunden, hinter der schon Deborah Zuflucht gesucht hatte. Völlig ausgeschlossen, dass sie jetzt das Hotel verlassen konnte. Es gab zwar einen Hinterausgang, aber dazu musste sie hinter ihrem Versteck hervorkommen und einen Stock tiefer mit dem Aufzug fahren. Zwar hatte sie ihr Aussehen verändert und extra einige Pfunde zugelegt. Ihr vormals langes dunkles Haar trug sie jetzt blond und kurz, ihre ebenfalls blondgefärbten Augenbrauen waren gezupft und sie hatte ihre Lippen geschminkt. Trotzdem traute sie Greiff durchaus zu, sie zu erkennen. Sie durfte darum nicht das geringste Risiko eingehen und musste sofort die Kamera und die beiden kostbaren Filme loswerden.
    Auf jeden Fall konnte sie nicht ewig hinter einer Pflanze kauern, allein das würde in Greiffs Augen Verdacht erregen. Der Nächste, der Aufzug oder Treppe benutzte, würde sie bemerken. Schon näherte sich ihr eine ältere Dame mit Fuchsstola, dicht gefolgt von einem uniformierten Chauffeur, der einen Berg Schachteln unter das Kinn geklemmt hatte.
    Ihr fiel nichts Besseres ein, als Kamera und Filme mehr schlecht als recht in die Erde der Stechpalme zu stopfen, in der Hoffnung, dass sie keinen Schaden nehmen würden. Wenigstens war die Erde locker und trocken.
    „Lieber Gott, bitte mach, dass die Pflanze in nächster Zeit nicht gegossen wird“, betete Marlene voller Inbrunst und nahm einen tiefen Atemzug, der Mut aus ihrem Inneren schöpfen sollte. Sie erhob sich, glättete ihren Rock und tat einen Schritt. Sie kehrte der Lobby den Rücken und setzte soeben ihren Fuß auf die zweite Stufe, als eine Stimme hinter ihr sagte: „Entschuldigen Sie, meine Dame. Ich glaube, das gehört Ihnen.“
    Marlene brachte das Kunststück fertig, nicht zusammenzuzucken, sondern sich langsam und damenhaft umzudrehen. Am Fuß der Treppe stand einer von Greiffs jungen Bluthunden und hielt ihr einen blütenweißen Fingerhandschuh entgegen. Er musste ihrer Handtasche entglitten sein, als sie die Kamera herausgeholt hatte. „Vielen Dank, junger Mann“, erwiderte sie artig und wandte sich neuerlich der Treppe zu, als wiederum eine Stimme in ihrem Rücken erklang.
    Die Kälte darin jagte ihr augenblicklich eisige Schauer über den selbigen: „Entschuldigen Sie, meine Dame. Kenne ich Sie vielleicht?“
    Blitzschnell rekapitulierte Marlene ihre Chancen. Knapp vier Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung in Berlin vergangen. Im Gegensatz zu damals, als sie schmutzig, blutig und nackt in der Zelle gelegen hatte, glich sie heute dem Ebenbild einer deutschen Dame. Hatte er sie trotzdem wiedererkannt?
    „Ich glaube kaum, dass ich schon das Vergnügen hatte, Herr …?“, sagte sie mit der genau richtigen Nuance von Tadel in der Stimme, weil ihr Gegenüber es einer deutschen Dame an der gebührenden Höflichkeit hatte mangeln lassen.
    Er verbeugte sich knapp und pflichtschuldigst: „Hubertus von Greiff. Zu Ihren Diensten.“ Dann wanderte sein Blick ungeniert langsam von unten nach oben und prägte sich dabei jedes Detail ihrer Erscheinung ein. Er taxierte ihre eleganten französischen Schuhe, die Seidenstrümpfe, das blaue Kostüm mit der Pfauenbrosche, ihren Hut und den dezenten Schmuck. Mit Sicherheit kannte er jetzt ihren Preis. Schließlich blieb Greiff an ihrem Gesicht haften. Sein verbliebenes Auge bohrte sich in ihres, teilte Netzhaut und Augenmuskel, drang direkt in ihr Gehirn ein und forschte dort nach unlauteren Gedanken.
    Marlene hielt ihm stand und legte eine perfekte Mischung zwischen Verwunderung und Befremden in ihren Ton: „Ich muss doch sehr bitten, Herr von Greiff“, sagte sie mit mehr Mut, als sie empfand. „Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden.“ Sie zwang sich, die Stufen langsam hinaufzusteigen, die Hand am Geländer, als hätte sie keinerlei Eile. Die ganze Zeit über spürte sie, wie sein Blick ihr ein Loch in den Rücken brannte.
     
    „Uns bleibt nicht viel Zeit“, sprudelte Marlene jetzt hastig hervor. „Ich weiß nicht, ob Greiff mich erkannt hat. Wenn ja, wird er mich bald suchen oder er ist schon dabei. Ich werde hinten über den Lieferanteneingang verschwinden. Hör mir jetzt genau zu, Deborah! Ich musste die Kamera und die Filme loswerden. Sie

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