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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Kinderfrau als dümmer gelten als ihre alteingesessene Rivalin Ottilie.
    Doch Ottilie wusste immer, wann sie gewonnen hatte. Sie stibitzte sich aus dem Obstkorb einen rotbackigen Apfel. Im Hinausgehen sagte sie wie beiläufig zu Bertha: „Am besten, du fragst unser schlaues Mägdelein.“ Und das war natürlich eine doppelte Demütigung, dass Ottilie Berthas Nichte für klüger hielt als die feiste Köchin, und das im Beisein der Kinderfrau!
    Klara, die hochmütig Schielende, verließ die müffelnde Küche ebenfalls, setzte aber vorher die Köchin noch über das lateinische Leiden des Felix ins Benehmen: „Blähungen, er hat Blähungen.“
    „Das rieche ich auch“, schnappte die Köchin und köpfte das Suppenhuhn.
     
    * * * * *
     
    Wie sich bald herausstellte, schielte Klara nicht nur mit dem Blick nach einer Seite, es drängte sie zur Gänze in eine bestimmte Richtung. Die achtjährige Deborah trauerte ihr überhaupt nicht nach, als Klara kurz darauf ihre Stellung kündigte und in die braune Ferne entschwand.
     
    Elisabeth kehrte nie wieder nach Bayreuth zurück. In den Folgejahren nahm sie nur noch wenige Engagements und fast ausschließlich im Ausland an.
    Selbst Richard Strauss, der neuernannte Präsident der Reichsmusikkammer - es gab kaum noch Worte aus der Reichskanzlei, die nicht mit `Reich´ begannen und der Doktor betitelte es kopfschüttelnd als `Reichsmanie´ -, konnte sie nicht zu einem neuerlichen Engagement an der Berliner Staatsoper überreden.
    Man ließ ihr nach ihrer Absage sogar die Information zukommen, dass der Führer `mit Enttäuschung´ ihre Entscheidung vernommen hätte. Doch Elisabeth war dieser Tage sehr in Sorge um ihren Gustav. Sie hatte beschlossen, bei ihm zu bleiben und sich um ihn zu kümmern. Die neuen nationalsozialistischen Zeiten beunruhigten ihren Gatten zutiefst.
    Er schlief noch schlechter als sonst, wenn er überhaupt Schlaf finden konnte. Überdies hatte er einige zahlungskräftige Patienten verloren - auch wenn einige von ihnen vom Tag-Patienten zum Nacht-Patienten geworden waren und heimlich zur Behandlung zur Hintertür hereinschlüpften.
    Es gab eine neue Krankheit und die hieß: Angst.

 
     

    Kapitel 13
     
     
    DER GERADE WEG
     
    Der Ratskeller im Souterrain des Münchner Rathauses am Marienplatz war riesig, verwinkelt, und strahlte mit seinem rauchgeschwängerten Tonnengewölbe die typische bayerische Gemütlichkeit aus.
    Seit vielen Jahren fanden sich Gustav und Fritz Gerlich dort an jedem Donnerstagabend zu einem losen Stammtisch zusammen. Je nach Zeit und Verfügbarkeit gesellten sich mit Gustav befreundete Ärzte und auch Kollegen von Fritz dazu - meist aber waren sie nicht mehr als ein Dutzend Gleichgesinnte.
    Seit der Machtübernahme erschienen von Woche zu Woche weniger Teilnehmer. Heute zählten sie ganze fünf Mann: Zwei Ärzte, zwei SPDler und ein Redakteur der Münchner Post.
    Die bestellten Maß Bier kamen und Gustav kommentierte in die kleine Runde: „Angst scheint auf den Durst zu drücken! Trotzdem, meine Herren, lassen wir es uns heute schmecken. Prost!“
    Die Stimmung unter ihnen war besorgt, dafür geriet die Debatte dann umso heftiger. Der Wirt kam vorbei und bat verlegen um etwas mehr Rücksicht auf die anderen Gäste und flüchtete wieder hinter seinen Tresen.
    Gustavs Gedanken schweiften ab. Knapp sechs Wochen lag die Ernennung von Adolf Hitler zum neuen Reichskanzler zurück. In München hatte man den neuerlichen Regierungswechsel in Berlin mit bayerischer Gelassenheit zu Kenntnis genommen und war dann zur Tagesordnung übergegangen – sprich: dem Fasching. Der Wahl des Faschingsprinzen wurde beinahe ebenso viel Bedeutsamkeit beigemessen wie den anstehenden Reichstags-Neuwahlen am 05. März. Man hatte in den letzten Jahren einfach zu viele Kanzler in Berlin kommen und gehen sehen: Brüning, von Papen, Schleicher, Hitler   …
    Erneut trat der Wirt an ihren Tisch heran. Er knetete sein Geschirrtuch und schielte ängstlich zum Eingang am anderen Ende des Saales. Soeben hatten einige SA-Männer diesen betreten. Dann hastete er davon, als wollte er vermeiden, in ihrer unmittelbaren Gesellschaft gesehen zu werden.
    Gustav sah dem Mann kopfschüttelnd hinterher. Mehr als zehn Jahre Stammtisch in großer Runde, hohe Zechen und gute Gespräche, an denen sich der Wirt oft und gerne beteiligt hatte. Und jetzt wollte er sie nicht mehr kennen. Gustav versenkte seinen traurigen Blick im Maßkrug. Es hatte begonnen. Die Menschen passten sich

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