Honigtot (German Edition)
Schwächste, starb bereits nach zwei Tagen, Felix II. hielt noch eine weitere Woche durch. Deborah war untröstlich und auf eine Art verzweifelt, wie es nur kleine Mädchen sein können.
Die zwei reinrassigen Dackelwelpen waren die ersten Todesopfer des Nationalsozialismus in der Wohnung am Prinzregentenplatz - nur weil der Besitzer der Hündin Biene ihren Galan Felix zum jüdischen Dackel deklariert hatte.
Dabei zeugte Felix' urkundlich belegter Stammbaum von reinerer Herkunft als die aller Nazi-Regierenden zusammen, ließ sich Gustav kopfschüttelnd bei Elisabeth darüber aus.
Später am Abend meinte Gustav zu Elisabeth: „Diese selbsternannte, neue Herrenrasse ist in ihrer Primitivität beängstigend, Elisabeth. Im Grunde sind Tiere viel klüger als der Mensch. Sie kennen weder Dünkel noch Rassenunterschiede, sie leiden nicht an Geltungssucht noch streben sie nach Macht und niemals töten sie ihresgleichen aus Hass oder Andersartigkeit. Tiere töten allein, um zu überleben. Der Mensch aber ist sein eigenes Verhängnis.“
Deborah kümmerte sich bis zur Erschöpfung Tag und Nacht um die zarte Biene, die in einem Körbchen neben ihrem Bett schlief. Und nachdem sie den zweiten Monat überlebt hatte, sagte ihr Vater zu ihr, dass sie ein wahres Wunder an ihr vollbracht hatte.
Von da an gehörte Biene zum Haushalt und Felix lag ihr bald zu Füßen. Im Übrigen sorgte der Doktor dafür, dass der fidele Junker kastriert wurde - um weiteren Überraschungen vorzubeugen.
Doch nicht nur Felix sorgte für Nachwuchs. Elisabeth ging es einige Tage lang gar nicht gut, sie fühlte sich schwach, litt an Schwindelanfällen und übergab sich ständig. Der Doktor stellte bald fest, dass sie erneut ein Kind erwartete. Von Beginn an war es eine schwierige Schwangerschaft und sie kam für sie zur denkbar ungünstigsten Zeit.
Ihre Pläne, nach Österreich, in Elisabeths Heimat, zu emigrieren, rückten damit in die Zeit nach der Niederkunft. Elisabeth erging es tatsächlich so schlecht, dass sie fast ausschließlich das Bett hüten musste und der Doktor vor Sorgen früh ergraute.
Auch Elisabeth litt sehr darunter, sich derart kraftlos und ohne Elan zu fühlen. Dabei war sie erst dreiunddreißig Jahre alt. Das erste Mal in ihrem Leben konnte sie die liebliche Musik in ihrem Inneren nur noch gedämpft wahrnehmen, als wäre sie in den traurigen Tiefen ihrer Schwermut untergegangen.
Die Geburt des kleinen Wolfgang Ende 1933 wurde für Elisabeth zu einer neunzehn Stunden andauernden Tortur. Die Wehen hatten einen Monat zu früh eingesetzt und das Kind lag verkehrt. In letzter Konsequenz und um das Leben der immer schwächer werdenden Mutter zu retten, blieb dem Doktor keine Wahl, als das Kind mit einem komplizierten und gefährlichen Kaiserschnitt zu entbinden.
Die bereits geschwächte Mutter erholte sich lange nicht von den erlittenen Strapazen und konnte ihr Kind nicht selbst stillen. Das Kind war kränklich, hatte schwache Lungen und ein leicht verkürztes Bein und musste das ganze erste Lebensjahr ständig ärztlich versorgt werden.
Gustav verschob daher die Pläne für die Ausreise immer wieder nach hinten.
Kapitel 15
Mehr und mehr geriet die Arche Noah in den gefährlichen Sog der Gezeiten und trieb in den aufgewühlten Tiefen der Sorgen dahin.
Die Gedanken der Bewohner am Prinzregentenplatz 10 wurden immer schwerer und bedrückter:
Gustav und Elisabeth, weil sie an ihre Kinder und an deren Zukunft denken mussten; Magda, die sich davor fürchtete, bald wieder in ihr stumpfes Dasein auf den väterlichen Bauernhof zurückkehren zu müssen, wenn die Herrschaft das Land verließ, und Ottilie, die um das Seelenheil ihres Hans bangte, den sie kaum noch zu Gesicht bekam.
Nur die Köchin Bertha sorgte sich wie ehedem nur um Herd und Küche. Bertha ging jetzt stramm auf die siebzig zu. Ihre vormals prallen Wangen waren schlaff geworden, weil ihr Appetit stetig abgenommen hatte, ebenso wie ihre Zähne und sie hatte deshalb viele Lücken beim Sprechen. Oft brabbelte sie jetzt mit sich selbst und spuckte und verteilte dabei ihren Speichel, da die meisten Zähne zum Aufhalten fehlten. Man mochte daher nicht gerne daran denken, aber Diverses landete sicherlich auch in Topf und Pfanne.
Aber weder Gustav noch Elisabeth hatten das Herz, Bertha zu kündigen. Dafür mieden sie es von nun an, sie in ihrem Küchenreich zu besuchen - da es für den Seelenfrieden erträglicher war, ihr beim Kochen und
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