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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Reichsfluchtsteuer auferlegt.
    Das Finanzamt agierte hier sehr rege, wie in allen Zeiten und in allen Regierungen. „Das ist nichts weiter als legalisierter Diebstahl“, schimpfte Gustav erbost.
     
    Elisabeth nahm Kontakt zur britischen Botschaft auf und traf auf einen Attaché, der sich als großer Bewunderer ihrer Kunst entpuppte. Er schlug der berühmten Sängerin unter der Hand das folgende Vorgehen vor: Elisabeth Malpran sollte offiziell ihr Engagement in London bei der Reichsmusikkammer anmelden und auch um die Erlaubnis ersuchen, ihre beiden unmündigen Kinder, Deborah und Wolfgang, samt der Gouvernante Magda, die inzwischen in diese verantwortungsvolle Position aufgestiegen war, mitnehmen zu dürfen. Dies sollte jedoch kurzfristig geschehen, so als hätte sie sich ihre Zusage erst spät überlegt. Dabei sollte sie auch anklingen lassen, dass sie für künftige Engagements im Deutschen Reich zur Verfügung stehe.
    Ihr Gatte hingegen, wie es der Attaché ausdrückte, `um schlummernde Riesen nicht zu wecken´, sollte sich mit wenig Gepäck, am besten einige Tage vor Elisabeths Abreise nach London, in den Zug von München nach Zürich setzen. Wenn Frau Elisabeth erst einmal abgereist wäre, dann könnte es vielleicht ein misstrauisches Auge auf den Gatten geben, wohingegen eine mehrtägige Abwesenheit ihres Mannes im Vorfeld kaum jemandem auffallen dürfte.
    Von Zürich aus sollte Gustav dann weiter nach London reisen. Eine weitere Empfehlung, ebenfalls unter der Hand, lautete, dass, wenn der Doktor irgendwie eine Möglichkeit finden könnte, innerhalb Deutschlands unter falschen Papieren zu reisen, dies von Vorteil wäre.
    Gustav erfasste sofort, dass ihn die entsprechenden Dokumente ein kleines Vermögen kosten würden. Er zog seinen Rechtsbeistand Herrn von Meyerlinck zu Rate, der ihm inzwischen ein guter Freund geworden war. Von Meyerlinck, dessen Kanzlei bekanntlich fast neben dem Hauptquartier der NSDAP lag, gelang es tatsächlich, über seine diversen nachbarschaftlichen Beziehungen Papiere gut und teuer zu beschaffen. Gustav würde als Peter Friehling reisen.
    Die treue Ottilie würde ebenfalls im selben Zug bis nach Zürich mitkommen und die echten Papiere des Doktors mit sich führen. Gustav benötigte diese für seine legale Einreise nach England. Der vorsichtige Attaché sah es als zu gefährlich an, wenn er diese selbst mit sich führte, wohingegen eine ältere arische Dame in der dritten Klasse keine Aufregungen zu fürchten hatte. Ottilie war erst einundvierzig, sah aber, seit man ihr ihren Hans genommen hatte, wesentlich älter aus.
    Der Doktor überließ die Entscheidung hierfür Ottilie, denn ein Risiko gab es seiner Meinung nach immer. Aber sie hatte dem Vorhaben sogleich und ohne Vorbehalt zugestimmt: Die Nazis hatten schon ihren Hans weggeholt und nun vertrieben sie auch noch ihre Herrschaft aus dem Land! Sie empfand es daher als ihre heilige Pflicht, ihrem Dienstherrn zu helfen.

 
     

    Kapitel 16
     
     
    FLUCHT
     
    Die Zeiten waren lauernd und misstrauisch geworden.
    Vieles war sehr leicht zu haben. Man gab aus der Not und mit Angst und die, die vorher wenig hatten, hatten plötzlich sehr viel und die, die bisher ohne Bedeutung waren, gewannen plötzlich an Einfluss und Macht. Und wer Macht hatte, trachtete danach, dass möglichst viele davon erfuhren.
    Und so wurden jene, die nichts getan hatten, zu Opfern.
     
    Der kluge Advokat Samuel Finkelstein war bereits Ende 1934 in die USA emigriert, und mit ihm fast die gesamte geistige Elite Deutschlands - des Landes, das gerühmt wurde für seine Dichter und Denker.
    Unter den vielen, die gingen, befanden sich einige zwanzig Nobelpreisträger und das hätte `jenen im Ausland ´ , wie der gleichermaßen traurige wie zornige Doktor anmerkte, beileibe und fürwahr zu denken geben müssen!
    Denn genauso begann eine jede Diktatur: Nicht die Ratten verließen das sinkende Schiff, sondern die Besten und Klügsten ein dem Untergang geweihtes Land. Die Braunen wollten sie nicht haben, denn die Klugen störten der Gemeinen böse Triebe und daher verreisten sie um nichts weniger als um ihr Leben.
    Jene, die blieben, um ihre Stimme zu erheben, verstummten bald in den Fängen der gleichgeschalteten braunen Brut.
    Diese wenigen Mutigen ehrt man bis heute mit Kränzen und Gedenkfeiern und mit mahnenden Reden. Denn es soll niemals vergessen sein, dass allein die Stimmen und der Mut von vielen das Böse überwinden kann.
     
    * * * * *
     
    Gustav und

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