Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
Hannah.
»Nein. Auf gar keinen Fall. Nur diese Geschichte hat mir meine Mutter immer erzählt, wenn ich mich vor etwas gefürchtet hab. Der Rosa König malt die Wolken rosa an und schützt die Menschen damit vor der Nacht. Und wenn das nicht ausreicht, zieht seine Tochter Schnuckel-die-O-so-süß, die Rosa Prinzessin, nachts um die Welt, um den Schutz zu sichern. Sie segelt mit dem Piraten Pirat Red Rat über die Meere und genau das werden wir beide tun. Du, Hannah, und ich.«
Hannah blickte ihn an, den Mund vor Staunen leicht geöffnet.
»Ja, du und ich.« Nat sprang aus der Hängematte und lief zu ihr. »Und im Namen von Will.«
»Ja, Will«, raunten alle. »Er ist immer bei uns.«
»Er hat uns so oft das Leben gerettet.«
»Im Kampf gegen die Schlangen und Milbenhelme.«
»Und in der Drachenburg, als die Mohawks uns angriffen.«
»Mich hat er aus den Händen der Irokesen befreit«, ergänzte Hannah, »und von der Springwarzenpest erlöst.«
»Er war der größte Pirat, den es je gab«, lächelte Jo, und Rachel nickte:
»Größer als Whistle.«
»Und weil er das war, hat er jeden betrogen.« Salome grinste. »Und er hat jeden belogen.«
»O ja, und zwar mit einem Herzen aus Gold.« Ophelia seufzte.
»Ja, das ist wahr. Mit einem Herzen aus Gold!«, flüsterte Hannah, hielt sich an Nat fest und nahm seine Hand. Die Augen des Amerikaners waren plötzlich pechschwarz. »Du vermisst ihn genauso, habe ich recht?«, fragte Hannah, die das für Trauer hielt.
»Ja«, sagte Nat mit belegter Stimme. »Und deshalb frag ich euch jetzt: Sollen wir die Stadt, die wir vorhaben zu bauen, nach unserem besten Freund benennen? So wie wir uns an ihn erinnern: Herz aus Gold. Was sagt ihr dazu? Ist das nicht der beste Namen für einen Ort, der unser Zuhause werden soll?«
Er sah die leuchten Augen der Kinder und legte den Arm um Hannahs Schulter.
»Ein Zuhause, von dem aus wir aufbrechen werden, damit jeder von diesem Herzen erfährt.«
Er zwinkerte Hannah schlitzohrig zu, und die grinste und lachte und strahlte ihn an.
Teil Zwei – Höllenkrieger
Himmel und Hölle
s hatte einige Zeit und Mühsal gekostet, bis der verweichlichte und unsportliche Neffe des französischen Königs in der Lage gewesen war, das Gleichgewicht auf der auf den Wellen tanzenden Truhe zu halten. Er hatte geflucht, geschimpft, geheult und gewimmert, und der einzige Grund, warum der sonst zu keiner Anstrengung fähige Kerl nicht aufgeben konnte, waren die Haie, die immer enger um die Kiste kreisten. Gagga durfte einfach nicht mehr ins Wasser plumpsen, wenn er verhindern wollte, dass sich die Revolverzahnreihen der fiesen Fische an seinem pummligen Po vergnügten. Deshalb stand er schließlich breitbeinig und schwankend auf dem wackeligen Ding, klammerte sich an die Seile des Drachensegels, das sich über ihm im Wind blähte, und ließ sich schreiend, fluchend und furzend gen Osten ziehen.
»Das wirst du mir büßen, Will. Ich zieh dir die Haut ab. Und wenn du danach noch lebst, kannst du zuschauen, wie ich sie trage!«
Er strafte Will mit zornigen Blicken. Doch der gab nicht auf. Gagga fuhr in genau die entgegengesetzte Richtung, in die sie wollten. Sie mussten nach Westen. Nicht nach Osten. Und um dorthinzugelangen, musste Will dem tollpatschigen Kerl, der zu den bösesten Menschen der Welt gehörte, beibringen, wie man vor dem Westwind kreuzen konnte.
Gagga fiel noch zweimal ins Wasser. Mitten zwischen die Haie. Doch bevor die ihn beißen konnten, steckte er ihnen die Finger in die Augen. Er biss ihnen die Nasenspitze ab und konnte ihnen so, wenn auch um den Preis seiner bunten Knickerbocker, glücklich entkommen. Das hob seine Laune. Gagga begann, Spaß an der ganzen Sache zu finden, und deshalb surfte er jetzt in gestreifter Rüschenunterhose vor Will und Talleyrand über den nächtlichen Ozean und röhrte lauthals:
»Im Dunkeln, im Dunkeln,
sieht man das Funkeln
viel besser, als wenn man im Hellen lebt.«
Talleyrand selbst war ein gelehriger Schüler. Trotz seiner vierzig Jahre begriff er äußerst schnell, was Will ihm erklärte, und der nahm staunend zur Kenntnis, wie durchtrainiert und stark der schmächtig wirkende Mann in Wirklichkeit war. Ja, und wie lebendig er bei den Übungen wurde. Fast meinte Will, es mit einem Piraten zu tun zu haben. So leuchteten die Augen des Schwarzen Barons. Sie verloren ihr Echsengelb und wurden hellbraun. Das musste die Augenfarbe des Jungen gewesen sein, der damals im Sommer vor dem Feld lag, um
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