Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben - Band 4
retten.«
»Also dann!«, sagte Will und versuchte zu lächeln. »Ich wünsch dir viel Glück. Wir treffen uns flussabwärts bei den Kanus.«
Damit glitt er vom Baum. Doch Nat wünschte ihm nichts. Sein Blick ruhte schweigend auf Hannah.
Die wurde langsam aber sicher verrückt. Sie stand jetzt seit Stunden in der Sonne und konnte noch nicht einmal mehr die Finger bewegen. Die nassen Lederriemen, mit denen die Mohawks ihre Arme und Beine an den Pfahl gebunden hatten, waren getrocknet. Sie hatten sich, wie von den Wilden geplant, zusammengezogen und schnitten ihr so tief ins Fleisch, dass Füße und Hände bereits gefühllos waren.
»Hey,Whistle! Weißt du, so muss man sich fühlen, wenn man verheiratet ist.« Hannah versuchte zu lachen. »Die Glieder ganz taub, an einen Pfahl festgezurrt und um einen herum eine halbe Hundertschaft Mohawks, die einem, weil man so doof war, auch noch zur Belohnung das Fell über die Ohren ziehen wird.«
Ihr Blick schweifte von den vielleicht fünfzig Indianern, die sich im Schatten der Bäume rund um die Lichtung ganz offensichtlich für das nächtliche Marterfest ausruhten, zum alten Whistle. Der stand am Pfahl neben ihr und verriet mit keiner Regung seines wettergegerbten Gesichts, was er dachte oder fühlte.
»Aber ich möchte mich trotzdem bei dir bedanken.« Hannah verzog den Mund zu ihrem zuckersüßesten Kleinmädchenlächeln. »Und ich möchte das jetzt tun. Denn egal, was heute Nacht passiert: Ich möchte, dass du weißt, dass ich dir nie vergessen werde, wovor du mich in Berlin gerettet hast. Vor meiner Hochzeit.«
Jetzt wandte Whistle den Kopf. Er hob seinen Blick und schaute sie an.
»Ja-mahn, und ich möchte dir sagen, dass du der einzige Mann bist, den ich wirklich respektiere und achte.«
»Hey! Und was ist mit uns?«, protestierten der Windschiefe Cutter und Ratten-Eis-Fuß an den beiden äußeren Pfählen.
Hannah maß sie mit einem kurzen Blick.
Cutter war so schief, dass die Indianer für ihn einen krummen Baum ausgesucht hatten, und Ratte schaute nur mit der Nasenspitze aus den um ihn herumgewickelten Fesseln heraus.
»Wollt ihr das wirklich wissen?« Die Piratin rümpfte die Nase und kehrte emotionslos zu Whistle zurück.
»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte sie ihn. »Ach ja, beim Respekt. Tja, und weil das jetzt klar ist, wirst du verstehen, dass unsere Freundschaft nichts trüben kann. Uns bringt sozusagen nichts auseinander. Das siehst du doch auch so?«, fragte sie ihn, als sie erkannte, wie sich die Braue über seinem linken Auge hob und der rechte Nasenflügel zu beben begann. »Wir sind sozusagen wie Bruder und Schwester«, grinste sie etwas verlegen. »Oder verletzt dich das jetzt? Ich meine, hab ich dir irgendwann Hoffnung gemacht?«
»Nein«, antwortete Whistle und für Hannah schien es fast, als zitterte seine Stimme. »Nein«, sagte er nochmals und schon etwas fester. »Und selbst wenn es so wäre, hätte ich kein Interesse gehabt.«
Jetzt war Hannah perplex. »Ach ja? Und warum, wenn ich fragen darf?«
Sie versuchte ein Lachen, doch Whistle unterbrach sie,
»Weil du nach Chen nicht gut genug warst.« Er sprach die Worte genüsslich aus. »Als ich mit Chen zusammen war, war sie die Beste. Die Beste der Welt und das bist du nicht.«
»Ja, noch nicht!«, zischte Hannah beleidigt und schleuderte ihr Wut dann gegen die Wilden. »Hey, Jungs! Wann fangt
ihr denn an? Ich hab noch was vor und will heute noch weiter!«
Da bemerkte sie den Kerl mit ihrer Perücke. Der hatte gerade den Stein geworfen. Er traf ihre Stirn und einen Herzschlag später sackte ihr Kopf auf die Brust.
Als Hannah erwachte, war es bereits dunkel geworden. Feuer brannten im Kreis um die Marterpfähle und tauchten alles dahinter in ein undurchdringliches Schwarz.
»Guten Morgen, Hannah!«, schnarrte Ratten-Eis-Fuß. »Du hast so gut wie gar nichts verpasst. Die Party hat gerade erst angefangen. «
Hannah schaute von Ratte zu Cutter und sie fühlte trotz ihres tauben Körpers, wie ihr ein heißkalter Schauder den Rücken zum Steiß herunterlief. Und dieses Gefühl verstärkte sich noch, als Whistle mit dem Kopf zum Rand der Lichtung deutete, wo jetzt der Kerl mit Hannahs Perücke zwischen den Feuern hindurchtrat und langsam und grinsend auf sie zukam.
»Du bist die Squaw. Mit dir fangen sie an«, schnarrte Ratte, doch Hannah starrte nur auf das Messer mit der rostigen Klinge, das der Wilde jetzt hinter dem Rücken aus dem Gürtel des Lendenschurzes
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