Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben - Band 4

Treibholz den Niagara hinab.
     
    Nat war unterdessen längst auf der Lichtung.
    Sobald der letzte der Indianer unter dem Baum hindurchgerannt war, auf dessen Ast er gelegen hatte, war er zu Hannah geeilt und genau in dem Augenblick, als der erste der Mohawks Will mit der Fackel entdeckte, als Will rief: »Hier bin ich! Hier! Ihr lahmarschigen Schnecken!«, hatte er die Lederriemen von Hannahs Fesseln durchschnitten.
    Dann lief er zu Whistle, um auch ihn zu befreien, doch als er die ersten seiner Fesseln kappte, als Wills Pulverfass flussaufwärts explodierte, sah er wie Hannah zusammensackte, und fing die junge Piratin, die nicht mehr alleine stehen konnte, im letzten Augenblick auf.
    »Hannah! Was ist?«, fragte er sie besorgt. »Haben sie dir was getan?«

    »Nein. Meine Beine sind eingeschlafen. Du musst mich tragen. Verfuchst. Bitte, Nat, bring mich hier raus. Du bist doch so stark.« Sie streichelte ihm über den Bizeps. »Du kannst mich doch tragen.«
    »Ja, aber«, stammelte Nat, »was ist mit den anderen?«
    »Was meinst mit ›was ist‹?«, fragte Hannah verwirrt. »Das sind Ratte, Cutter und Blind Black Soul Whistle. Die würden dich umbringen, wenn sie es könnten.«
    In diesem Moment ertönten die Schüsse von Wills sieben Waffen.
    »Und außerdem haben wir keine Zeit. Die Mohawks kommen gleich wieder hierher zurück.«
    »Nein, die suchen doch Will«, wollte ihr Nat widersprechen. »Das ist unser Plan.«
    Doch sie fuhr ihm kurzerhand über den Mund. »Ach, bist du dir sicher?«, fragte sie zickig. »Dann wart’s mal ab.« Sie schrie Richtung Fluss: »Hey, ihr strunzdummen Dumpfbacken. Seid ihr zum Zählen zu blöd? Das waren zwei Jungs, die uns verfolgt haben, und der zweite von ihnen ist gerade bei mir.«
    Nat starrte sie an. »Was machst du da, Hannah?«
    Sie hörten das wütende Heulen der Mohawks und Hannah erkannte ihren persönlichen Freund, den Kerl mit ihrer Perücke. Sie hörte zufrieden, wie die anderen Wilden seinem Befehl ohne Umschweife folgten, und grinste Nat fast schon beleidigt an: »Was hab ich gesagt? Sie kommen zurück.«
    Da packte sie Nat, warf sie über die Schulter und floh von der Lichtung.
    »Hey,Whistle!«, rief Hannah zu den drei Piraten zurück. »Ich hab’s dir gesagt. Egal, was passiert, du bleibst immer mein Freund.«

    Sie lachte und winkte und verschwand dann im Wald, durch den Nat mit ihr auf der Schulter zu der Stelle floh, an der etwas flussabwärts die Kanus lagen.
     
    Will trieb zur selben Zeit im Schutz des Strauchs den Niagara hinab und verfluchte Hannah dafür, dass sie die Wilden zur Lichtung rief.
    »Du kleine biestige Ratte!«, schimpfte der Junge.
    Doch er musste auch lachen. Lachen, weil es ihm plötzlich gefiel, was Hannah da machte, und weil ihm, wenn er lachte, so warm ums Herz wurde. Ja, wohlig warm und zwar genau an der Stelle über dem Herzen, an der er den Ring der Witwe Chen an einem Lederband trug.
    »Du kleine biestige Ratte!« Will lachte herzhaft und sah, wie Nat mit Hannah das Ufer ereichte. »Hey, Nat!«, rief er. »Ich bin auch gleich da.«
    Er winkte den beiden am Ufer zu und Nat winkte zurück.
    »Da, Hannah, ist Will! Er hat es geschafft.«
    Doch Hannah rutschte schnurstracks von seiner Schulter, konnte wie durch ein Wunder urplötzlich wieder laufen und zog eines der Kanus aus den Büschen.
    »Ach wirklich?«, fragte sie, zeigte zurück zum Wald in Richtung der bedrohlich heraneilenden Mohawks, drückte Nat das Boot in die Hand, und holte das zweite aus seinem Versteck. »Ich finde, dein Freund kommt etwas zu spät.« Sie sprang in das Kanu, duckte sich unter den ersten Pfeilen der Indianer hindurch und rief: »Nein. Er kommt viel zu spät, Nat!«
    Sie paddelte los.
    »Zum Teufel, Nat! Will ist Pirat. Der kann sich allein helfen. Komm schon,Will, sag’s ihm. Das ist so bei uns. Da sind manchmal
alle für einen da, und manchmal, wenn’s schiefgeht, halt einer für alle.«
    Sie grinste und lachte und paddelte weiter.
    Will schaute zu Nat und die Stelle, an der er den Ring trug, wurde mit einem Schlag kalt.
    »Nat«, wollte er rufen.
    Doch dann sah selbst er die Mohawks zwischen den Bäumen auf seinen Freund zurennen und war glücklich, erleichtert und froh, als Nat in sein Kanu sprang und ihnen in allerletzter Sekunde entkam.

VERKAUFT, VERRATEN UND VERZOCKT

    W ill trieb im Schutz des abgestorbenen Busches an den Mohawks vorbei und er freute sich wirklich, als er sich sicher war, dass Hannah und Nat den Indianern entkamen. Er