Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
als deine Mutter zu denken – und als Rogers Frau. Du kannst keine Regentin brauchen, die zu dir sagt: ›Aber dein Vater hätte es so und so gemacht.‹«
Elizabeth drückte ihrer Mutter die Hand. »Ich danke dir für dein Verständnis. Ich habe die anderen Vorschläge des Gremiums durchgesehen und würde, obwohl ich persönlich nichts gegen die Kandidaten aus den Reihen der Kronenloyalisten habe, doch meine Tante Caitrin vorziehen. Hoheit, glauben Sie, dass der Henke-Besitz Sie eine Weile entbehren kann?«
Caitrin Winton-Henke nickte. »Ja, das geht. Der Earl von Gold Peak kann seinen Pflichten recht gut auch ohne meine Hilfe nachkommen.«
»Sehr schön.«
Nachdenklich streichelte Elizabeth einen Augenblick lang Ariel, dann fuhr sie fort.
»Die Sorge, die der Herzog von Cromarty geäußert hat, habe ich nicht vergessen.« Sie lächelte verschmitzt. »Ich glaube, sie ließe sich nur dadurch aus dem Weg räumen, dass ich einen Kandidaten nominiere, den das Parlament nicht annehmen wird. Sobald der Aufruhr über diesen ersten Kandidaten sich gelegt hat und das Parlament sich widerstrebend gezwungen sah, meinen Vorschlag zurückzuweisen, kann ich Tante Caitrin nominieren. Wenn Dame Eliska Recht hat, steht das Parlament im Großen und Ganzen hinter mir. Sie würden den zweiten vorgeschlagenen Regenten wohl kaum ablehnen – besonders nicht jemanden, der so gut für die Aufgabe geeignet ist.«
Ein Augenblick des Schweigens folgte, währenddem das Gremium sowohl den Plan verdauen musste als auch die Bereitwilligkeit, mit der die neue Königin sich auf politische Manipulation einließ. Der Herzog von Cromarty hob die Hand.
»Bitte, Hoheit?«
»Die Idee ist klug, Euer Majestät, aber was, wenn das Parlament den ersten Kandidaten wider Erwarten doch annimmt?«
»Das sollte nicht weiter schwierig werden«, entgegnete Elizabeth. »Ich muss dafür sorgen, dass der Kandidat für das Amt tatsächlich geeignet ist – und nach einer Weile für Tante Caitrin den Platz räumt.«
»Dazu müssten Sie jemandem sehr weit trauen«, warnte der Herzog von Cromarty. »Ich nehme an, Sie haben bereits jemanden im Sinn?«
Die Königin nickte, und um ihre Mundwinkel zuckte die Andeutung eines Grinsens.
»Das habe ich allerdings.« Sie wies über den Tisch. »Meinen Haushofmeister Lord Wundt.«
»Euer Majestät!«, rief Jacob Wundt aus. »Ich eigne mich nicht für das Amt des Regenten!«
Elizabeth lächelte dem hageren alten Mann zu.
»Sie sind viel geeigneter als viele«, erwiderte sie. »Als Haushofmeister haben Sie meinem Vater und meiner Großmutter gedient und beide beraten. Für das Haus Winton sind Sie immer eine wertvolle Kraft gewesen. Und ich kann mit voller Überzeugung anführen, dass ich Ihnen und Ihrer untadeligen Treue zum Königreich schrankenlos vertraue.«
»Aber –!«
Dame Eliska unterbrach den erneuten Protest des Haushofmeisters. Sie blickte von den Zahlen auf, die sie auf das Display ihres Memopads gezaubert hatte, und lächelte breit.
»Ich glaube, dass Euer Majestät Wahl zu dem erwünschten Ergebnis führen wird. Ich habe eine vorläufige demografische Analyse durchgeführt, der zufolge der Herr Haushofmeister zwar abgelehnt wird, aber nur nach einer ausführlichen Debatte. Daraufhin müsste Herzogin Winton-Henke mühelos als Regentin akzeptiert werden.«
»Und wenn Lord Wundt doch angenommen würde«, fügte der Herzog von Cromarty hinzu, »hätten wir einen verlässlichen Regenten. Nach einigen Monaten könnte er sich auf sein fortgeschrittenes Alter berufen, das es ihm unmöglich mache, seine Aufgabe weiterhin zu versehen. Wenn wir abwarten, bis irgendeine kleine Krise erfordert, dass die Königin rasch einen neuen Regenten braucht, dann würde Herzogin Winton-Henke ohne Prostest angenommen werden.«
Der Haushofmeister öffnete und schloss unentwegt den Mund, doch es drang kein Laut über seine Lippen.
»Ohne einen solchen Eröffnungszug«, fuhr der Herzog von Cromarty fort, »wäre ich mir nicht sicher, ob die Königinmutter oder die Herzogin zur Regentin ernannt würden. Ich kann diesen plötzlich aufwallenden Antinepotismus auch nicht erklären, denn jeder, der das Oberhaus kennt, weiß, dass im Adel Vetternwirtschaft an der Tagesordnung ist. Im Augenblick aber hält diese Strömung die Oberhand.«
Elizabeth streichelte Ariel, und während sie bedachtsam eine höfliche, unbeteiligte Miene beibehielt, verriet das laute Schnurren des Baumkaters ihre Zufriedenheit.
»Dann werden wir so
Weitere Kostenlose Bücher