Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
doch erlaubten, stundenlang bequem zu stehen.
Traditionell ließ jedes Adelshaus seine Hofgarderobe in den Farben des Familienwappens anfertigen – im Falle der Wintons ein dunkles Blau mit silbernem Besatz. Nur die Königin oder der König trugen das Rot und Gold des Sternenkönigreichs von Manticore. Auszeichnungen, Heiratsallianzen und dergleichen wurden durch schmale farbige Bänder an den Manschetten angezeigt. Da die Tradition außerdem ein Gewebe aus kostbaren Brokatstoffen verlangte, bot eine Versammlung von Adligen im Hofstaat durchaus einen ehrfurchtgebietenden Anblick.
Bürgerliche trugen ähnlich geschnittene Gewänder, vermieden jedoch Brokat und Farbkombinationen, mit denen sie die Wappenfarben eines Aristokraten direkt nachahmten. Allerdings war es gern gesehen, wenn Parlamentsmitglieder in der Farbe ihrer Bekleidung auf den Distrikt hinwiesen, den sie vertraten.
Bevor Justin Elizabeth kennen lernte, hatte er bei den sehr raren Gelegenheiten, wo Uniform nicht genügte, eher beliebige Farben getragen. Seit seiner Verlobung trug er jedoch eine Kombination aus dem Bronze und Dunkelbraun Gryphons mit den Farben der Wintons an den Manschetten. Müßig dachte er, dass er sich noch davon überzeugen müsse, ob seine Kleidung für den Abend bereitlag, bevor er seinem Kammerdiener frei gab.
Nachdem Michael gegangen war, trat Justin zu Monroe.
»Komm schon, alter Junge. Zeit für einen Schauplatzwechsel.«
Der Baumkater rückte nicht von seinem Platz. Als Justin allerdings versuchte, ihn aufzunehmen, versetzte Monroe ihm einen symbolischen Klauenhieb.
»Du brauchst frische Luft, Monroe«, sagte Justin fest, ohne zu vergessen, dass der Baumkater ihn auch in seinem geschwächten Zustand schwer verletzen konnte. »Mach doch keine Umstände.«
Monroe gab nach, und obwohl sie einige Aufmerksamkeit erregten, als Justin den ‘Kater zu seiner Suite trug, gelangten sie dort ohne Zwischenfall an.
Er setzte Monroe auf einen Kissenstapel in der Sofaecke, besprach mit dem Kammerdiener den Zustand seiner formellen Kleidung, dann schickte er den Mann auf Abruf fort.
Nachdem Monroe alle Sellerie-Bestechungsversuche zurückgewiesen hatte und es Justin auch nicht gelungen war, Chou zu verständigen, setzte er sich ebenfalls und wartete leicht gereizt darauf, dass Padraic Dover erschien.
Für Padraic Dover hatte die Zeit nach König Rogers Tod eine einzige Übung in Frustration bedeutet. Die erste Phase des Plans war so glatt abgelaufen, dass er naiverweise angenommen hatte, die zweite müsse ebenso problemlos vonstatten gehen. Doch er kam nicht einmal in die Nähe der Königin, geschweige denn erhielt er Gelegenheit, sie zu bezaubern.
Zum Teil trug sein Dienstplan daran Schuld. Der Stabsoffiziersrang erwies sich in diesem Punkt als Fluch, denn er verschaffte ihm besondere Ehrenaufgaben, wie zum Beispiel beim Leichnam des Königs Wache zu stehen. Wenn Elisabeth III. nicht in einer Besprechung war oder eine öffentliche Erklärung abgab, hielt sie Wacht bei ihrem Vater oder zog sich mit den Mitgliedern ihrer Familie zurück. Nur einmal hatten sich ihre Wege während der Totenwache kurz gekreuzt, und obwohl sie ihn begrüßt hatte, war es schwerlich eine günstige Gelegenheit gewesen, sie mit netten Reden zu betören.
Justin Zyrr ließ sich ebenso schwer auffinden. Von einem seiner Gewährsmänner hatte Dover erfahren, dass Zyrr die Indigo Salt Fiats besucht habe und dort eine Weile herumspaziert sei. Davon abgesehen betrat und verließ er den Mount Royal Palace so unregelmäßig, dass Dover ihn bisher nicht hatte abpassen können.
Umso erstaunter war er, als Zyrr ihn in einem höflichen Brief bat, ihn am frühen Abend aufzusuchen. Im ersten Moment hatte die Panik von Dover Besitz ergriffen. Was wusste Zyrr?
Dann hatte er sich beruhigt. Woher sollte Zyrr irgendetwas wissen? Sie waren so vorsichtig vorgegangen. Der Empfänger war wie geplant beim Aufprall zu Staub zerfallen; den Sender hatte Dover persönlich vernichtet. Kaum hatte die Panik nachgelassen, da erkannte Dover, welch einmalige Gelegenheit sich ihm hier bot. Er wäre mit Zyrr allein – auf dessen eigenen Wunsch.
Bevor Dover aufbrach, ordnete er seine Uniform und legte sich seine Geschichte zurecht. Zu Beginn würde er sich an die Wahrheit halten: Zyrr habe ihn in seine Suite bestellt und dort darum gebeten, ihm bei einer Perversion beizustehen.
Dover leckte sich die Lippen und ließ die Möglichkeiten Revue passieren. Er konnte behaupten, Zyrr habe
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