Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
werden die Mesaner denn wohl mit Ihrer Entdeckung anstellen?«, stieß er wütend hervor. »Man macht doch nur biologische Waffen für den nächsten Krieg daraus!«
»Genug geredet! Lassen Sie die Pistole fallen.«
Sie will mich auf jeden Fall töten. Aber ich will verdammt sein, wenn ich einfach hier rumliege und mich von ihr verglühen lasse, ohne mich zu wehren! Er hob den Arm und drehte ihn zur Seite, als wolle er dem Befehl gehorchen, und ließ die Pistole lose in der Hand hängen. Er konnte sie auf keinen Fall schnell genug heben, um gezielt auf sie zu feuern – aber das Pferd war ein viel größeres – und niedrigeres – Ziel.
»Wollen Sie mich hier erschießen?«, fragte er. »Oder treiben Sie mich erst zum Flugwagen zurück, damit Sie meine Leiche nicht zu schleppen brauchen?«
»Fallen lassen!«
Jetzt oder nie …
Scott umfasste den Pistolengriff, sah, wie Ubels Finger sich um den Abzug des Gewehrs spannte und wusste, dass er sterben würde. Ein schrilles, lautes Fauchen aus purem Hass zerriss die Stille. Dann warf sich ein cremefarben-grauer Blitz auf Mariel Ubels Pferd: Fisher. Offenbar war er zu weit entfernt gewesen, um Ubel anspringen zu können. Mit ausgefahrenen Krallen landete er auf dem Hinterteil des Tieres und begann augenblicklich, dem Pferd das Fleisch zu zerreißen. Mit einem furchtbaren Wiehern stieg es auf die Hinterhand. Scott rollte sich panisch zur Seite, obwohl Ubel ihren Schuss verriss. Sein Medikit zerplatzte. Hitze versengte ihm den Rücken. Wieder stieß das geschundene Pferd einen durchdringenden schrecklichen Schmerzensschrei aus. Scott rappelte sich auf und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Er musste die Pistole rechtzeitig in Anschlag bringen. Fisher sprang Ubel mit gespreizten Krallen und einem Wutschrei an den Hals, ihr Gewehr jedoch vermochte er nicht beiseite zu schlagen. Scott feuerte übereilt und wusste bereits, dass er daneben schoss …
… und ein abgemagerter Baumkater warf sich aus den Bäumen direkt vor Ubels Gewehrmündung. Der Streuner sprang direkt in die Schusslinie, kreischte vor Hass und Wut, brachte sich genau zwischen Scott und das Gewehr. Sein Sprung lenkte die Mündung um eine Winzigkeit zur Seite, und er blieb am Ende des Laufes hängen, als der Schuss sich löste. Seelenschmerz flammte hinter Scotts Augen auf, als er das Gleichgewicht zurückerlangte, seine Pistole aber noch immer nicht weit genug gehoben hatte. Der Schuss durchschlug die Baumkatze und traf das tote Holz unter Scotts Füßen, verfehlte ihn knapp. Mit grauem Gesicht taumelte er zurück. Ein lebloser Fellball fiel aus Reiterhöhe vor dem Pferd zu Boden. Scott feuerte blind, zielte mit zitternden Händen, als die Mörderin auf dem Pferderücken wieder auf ihn anlegte.
Im gleichen Moment, in dem Fisher ihr an die Kehle sprang, traf Scotts Schuss sie in die Brust. Mariel Ubel zuckte im Sattel zusammen und schrie, ein grässlicher, gurgelnder Laut: Fisher hatte ihr in der Zeit, die sie für einen Schrei brauchte, die Kehle aufgerissen. Ihren gefühllosen Fingern entglitt das Gewehr und landete auf dem Boden. Sie rutschte der Waffe hinterher und schlug mit einem dumpfen Geräusch auf. Das Reitpferd, vor Panik völlig außer sich, stieg auf die Hinterhand und senkte die Vorderläufe auf sie, zertrampelte ihr mit messerscharfen Hufen das Gesicht. Scott hörte ein ekelerregendes Knirschen. Ubel regte sich nicht mehr. Scott sank auf die Knie. Er keuchte, und ihm war übel. Fisher erschien in seinem verschwommenen Blickfeld, er hatte sich von dem schreienden, blutüberströmten Pferd fallen lassen, das ein letztes Mal bockte und dann im Galopp zwischen den Bäumen verschwand. Der Baumkater legte sich über die kleine reglose Gestalt am Boden.
Scott unterdrückte einen Schmerzensschrei und taumelte halb blind vor. Er wusste bereits, was er finden würde. Der Streuner war tot, erschossen von einer Waffe, die selbst einen heranstürmenden Hexapuma gestoppt hätte. Untröstlich wehklagte Fisher. Er wiegte sich über dem toten Streuner hin und her. Scott nahm den zerschmetterten Körper auf und vergrub das Gesicht trauernd in dem blutigen Pelz. Der Baumkater hatte sich mit Bedacht zwischen Scott und das Gewehr geworfen – und er hatte gewusst, was ein Gewehr anrichtete. Er hatte gesehen, wie Scotts Medikit zerschossen worden war, und ihm musste klar gewesen sein, dass die gleiche Waffe mit zwei Treffern ihren Flugwagen abgeschossen hatte. Und der Streuner hatte
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