Honor Harrington 10. Die Baumkatzen von Sphinx
vom Personal des Palastes als auch von den Nachrichtenagenturen des Sternenkönigreichs sorgfältig vertuscht, doch nichts, was irgendein Mitglied des Hauses Winton betraf, war Alvin Tudev ein Geheimnis.
Einschließlich der bitteren Einsamkeit der Thronfolgerin.
»Das kann ich nicht sagen, Königliche Hoheit«, antwortete er einen Augenblick später. »Man sagt, die ‘Katzen seien recht scheu. Und der Forstdienst schirmt sie sehr streng ab.«
»Ich weiß«, seufzte Adrienne. »Daddy hat das gestern Abend mit mir … besprochen. Er mag den Forstdienst nicht besonders.«
»Das wiederum weiß ich. Aber sollten Sie mir das wirklich anvertrauen, Königliche Hoheit?«, fragte er sanft.
»Was meinen Sie? Dass Daddy und ich nur eins gemeinsam haben – dass wir uns streiten, wann immer wir uns sehen? Oder dass wir uns auch auf größere Entfernung bekriegen würden, wenn ich ihm überhaupt so viel bedeuten würde?« Adrienne drehte sich um, und die Wehmut war verschwunden. Die junge Frau, die Tudev nun anblickte, wirkte nicht jünger als sie war, sondern älter. In ihren braunen Augen vermischten sich Traurigkeit, Reife und Verbitterung. »Schließlich ist es ja nicht so, als wüssten Sie nicht längst alles, was es über uns zu wissen gibt, Alvin. Wenn ich mit Ihnen nicht darüber sprechen kann, mit wem dann?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Sie überhaupt darüber reden sollten, Königliche Hoheit. Ich rechne es mir als Ehre an, wenn Sie meiner Diskretion vertrauen, aber Sie sollten dergleichen vor niemandem sagen.
Ob es Ihnen nun passt oder nicht, Sie sind die zweitwichtigste politische Gestalt im Sternenkönigreich und müssen sehr gut Acht geben, wen Sie ins Vertrauen ziehen – eine Fehleinschätzung können Sie sich nicht erlauben.«
»Weil selbstverständlich das öffentliche Bild der zarten Beziehung zwischen dem König und seiner geliebten Tochter um jeden Preis aufrechterhalten werden muss, nicht wahr?«, fragte Adrienne mit einer gelassenen, rohen Kälte, bei der Tudev zusammenzuckte.
»Adrienne«, sagte er nach kurzem Nachdenken und verzichtete auf die Anrede ›Königliche Hoheit‹, auf die er sonst so großen Wert legte, »das kann ich nicht beantworten.« Er lächelte traurig. »Ich weiß die richtige Antwort nicht … und selbst wenn ich glauben würde, sie zu kennen, wäre es weder schicklich noch klug, sie Ihnen zu geben. Ich bin Heeresoffizier, kein politischer Berater. Meine Loyalität gehört der Verfassung, der Krone und der Thronfolgerin – in genau dieser Reihenfolge. Mir steht es nicht zu, eine Entscheidung zu kritisieren oder zu befürworten, von der ich nur durch meinen Dienst erfahren habe. Und leider gehört meine Loyalität als Befehlshaber Ihres Schutzkommandos der Kronprinzessin und nicht der Person Adrienne. Deshalb habe ich definitiv nicht das Recht auf eine Meinung zu der Frage, wie die Public-Relations-Leute das Verhältnis zwischen Ihnen und Seiner Majestät darstellen sollten.«
»Das weiß ich ja.« Adrienne wandte sich wieder dem Fenster zu. Sie blickte über den Palasthof auf den wuchtigen King Michael’s Tower und seufzte tief. »Ich bitte Sie um Verzeihung, Alvin. Ich hätte Sie nicht in eine Lage bringen dürfen, in der Sie sich derart erklären müssen. Nur …« Sie unterbrach sich und holte tief Luft, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. »Jedenfalls nehme ich an, dass Sie mit den Reisearrangements zufrieden sind?«
»Jawohl, Königliche Hoheit.« Tudev empfand Erleichterung, sich einem weniger verfänglichen Thema zuwenden zu dürfen, achtete jedoch sorgfältig darauf, keinerlei Dankbarkeit anklingen zu lassen. Einen Moment musterte er den Rücken seiner zukünftigen Königin, der so gerade und steif war wie ein Besenstiel, dann nickte er. Vielleicht konnte er für die einsame junge Frau doch etwas tun, ohne sich – offiziell – in Angelegenheiten einzumischen, die einen Offizier des Königs nichts angingen.
»Eine Sache wäre da noch«, fuhr er fort, und als sein veränderter Ton der Kronprinzessin auffiel, wandte sie sich vom Fenster ab. »Wir haben dieses kleine Terminproblem noch immer nicht geklärt«, sagte er.
»Welches Terminproblem?«
»Erinnern Sie sich nicht, Königliche Hoheit? Die Handelskammer von Yawata Crossing wünscht, dass Sie bei der Einweihung eines neuen Wohnturms das Band zerschneiden, aber Twin Forks möchte, dass Sie am gleichen Nachmittag den neuen Verwaltungstrakt des SFD einweihen.« Adrienne hob fragend die Braue, und er
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