Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
untergingen. Honor fiel es schwer, nicht zu kichern, als die Emotionen ihrer Gäste auf die einströmten. Außer Mike Henke und womöglich Andrea Jaruwalski hatte keiner der anderen je den Treue-Trinkspruch der Graysons gehört. Also wurde es langsam Zeit. Mit Blut und Courage hatte Honors andere Navy sich die Gleichrangigkeit mit der RMN erkauft, und sie war entschlossen, dafür zu sorgen, dass die GSN sie erhielt.
Sie lächelte Hearns anerkennend zu, und die junge Frau nahm wieder Platz. Honor schmeckte die grenzenlose Erleichterung der Raumkadettin und stellte ihr Weinglas ab, dann streichelte sie Nimitz die Ohren, nicht zuletzt, damit Hearns Gelegenheit erhielt, sich zu beruhigen. Die Raumkadettin war gut zwei T-Jahre älter als Theodore, aber aus mehreren Gründen musste ihr der Toast erheblich schwerer gefallen sein als ihrem jüngeren Kameraden, und darum war Honor stolz auf sie.
Aus einer ganzen Reihe von Gründen war sie stolz auf die junge Abigail Hearns. Als Honor am ersten Tag ihrer Vorlesung ›Einführung in das Taktische Denken I‹ die Anwesenheitsliste durchging, war sie erstaunt gewesen, als eine Stimme mit weichem, unverwechselbarem Akzent auf den Namen Hearns antwortete. Vor Überraschung hatte Honor ruckartig den Kopf gehoben. Sie weitete das gesunde Auge, als sie in einem Meer aus manticoranischem Weltraumschwarz-Gold eine blaue graysonitische Uniform erkannte, nicht die einzige im Hörsaal, aber die einzige, die von einer Midshipwoman getragen wurde. Honor Harrington sah die erste Raumkadettin der Grayson Space Navy vor sich.
Honor überwand ihre Überraschung fast augenblicklich und arbeitete sich sofort weiter durch die Namensliste, ohne ein weiteres Zeichen zu geben, dass sie Hearns’ Anwesenheit als ungewöhnlich betrachten könnte. Dennoch bat sie die junge Frau am Ende der Vorlesung, sie während ihrer Sprechstunden in der D’Orville Hall aufzusuchen. Honor war sich nicht ganz sicher, ob ihre Entscheidung richtig sei. Hearns würde dank ihres einzigartigen Status weiß Gott schon genügend Probleme bekommen, da brauchte sie nicht auch noch für eine Streberin gehalten zu werden. Doch Honors Neugierde trug den Sieg davon. Außerdem würde die junge Frau vermutlich alle moralische Unterstützung brauchen, die sie bekommen konnte.
Erstaunlicherweise war Abigail Hearns nicht nur eine Frau von Grayson, sie stammte sogar aus einer erlauchten Familie: Sie war die dritte Tochter von Aaron Hearns, dem Gutsherrn von Owen. Außerdem beschlich Honor rasch der Verdacht, dass sie Lord Owens Lieblingstochter sei. Das erklärte einerseits ihre Anwesenheit auf Saganami Island, aber zugleich war Honor umso erstaunter darüber, dass Owens ihr die Ausbildung zum Raumoffizier überhaupt gestattete.
Nach einer Weile kannte Honor die Hintergründe in allen Einzelheiten, obwohl Abigail sich sehr schweigsam verhalten hatte. Die für eine Grayson hoch gewachsene (nach manticoranischen Maßstäben nur mittelgroße), attraktive, gertenschlanke Brünette war neunzehn T-Jahre alt. Sie war also acht gewesen, als Honor zum ersten Mal nach Grayson kam, und den Emotionen der jungen Frau entnahm sie, dass sie an einem schweren Fall von Heldenverehrung gegenüber einer gewissen Captain Harrington gelitten hatte. Einiges von diesen Gefühlen war noch immer vorhanden, obwohl sie sich mittlerweile so sehr gelegt hatten, dass nur jemand mit Honors besonderem Vorteil sie bemerken konnte. Nicht nachgelassen hatte hingegen Abigails Überzeugung, zur Navy zu gehören, und das war schon seit dem Augenblick so, als sie nachts auf dem Balkon von Owens House gestanden hatte und die schrecklichen, stechnadelkopf-großen Blitze der Atomsprengköpfe trotzig in den Tiefen des Alls aufflackern sah. Während dieser Momente hatte sie gewusst, dass ein einzelner, brutal unterlegener Schwerer Kreuzer dort in einem tödlichen Duell gegen einen Schlachtkreuzer voller Fanatiker focht, um Grayson zu verteidigen und alle, die darauf lebten.
Zunächst einmal hatte schon die Idee, eine militärische Laufbahn einzuschlagen, völlig außer Frage gestanden. Wohl erzogene Frauen von Grayson dienten nicht beim Militär. Fremde Frauen aus weniger zivilisierten Kulturen traten vielleicht der Navy bei, sogar der Army oder den Marines, und es wäre sicherlich nicht recht gewesen, wenn man diesen Frauen ihre Entscheidungen vorgehalten hätte. Ihr Tun stand im Einklang mit den niedrigeren Standards der Gesellschaften, in die sie hineingeboren waren, und
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