Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
…
Fonteins Gedankengang geriet ins Stocken, als ihm plötzlich etwas einfiel. Parnell. Hatte seine Flucht aus Cerberus Saint-Justs Misstrauen gegenüber McQueen stärker geschürt, als er bislang vermutet hatte? Ganz gewiss war eine Woge der Erschütterung durch die älteren Offiziere gegangen, als der ehemalige Chef des Admiralstabs von den Toten zurückkehrte. Man war sehr vorsichtig gewesen, was man sagte und zu wem, aber die Erschütterung war unverkennbar. Nach den Siegen der 12. Flotte war McQueen bei den Offizieren fast genauso beliebt und ebenso sehr respektiert wie früher Parnell – auch wenn niemand ihren Ehrgeiz vergaß. Saint-Just erschien sie fast wie das Gespenst von Parnell, und dass ihr mühevoll aufgebautes Dossier nunmehr nutzlos war, kam ihn hart an.
Eigentlich war es eine Ironie des Schicksals. Als man die Zeitbomben in McQueens Dossier installierte, waren sie nicht mehr als Dekoration gewesen. Niemand hätte ihre Beseitigung rechtfertigen müssen, nachdem die Systemsicherheit seit Jahren Admirale zu Dutzenden exekutierte, denn niemand in der Flotte hätte gewagt, auch nur ansatzweise etwas einzuwenden. Die Manipulationen waren nur zu dem Zweck vorgenommen worden, Cordelia Ransom mit propagandistisch nutzbarem Material zu versorgen, damit sie die Entscheidung gegebenenfalls rechtfertigen und die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtung lenken konnte. Nun aber war McQueen sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei der Volksflotte so beliebt, dass es überlebenswichtig geworden war, ihre Beseitigung begründen zu können. Und ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt musste Parnell von Hades entkommen und ihr gesamtes Dossier der Glaubwürdigkeit berauben.
Man hatte Saint-Just also die Waffe ausgerechnet in dem Augenblick aus der Hand geschlagen, in dem er am meisten fürchtete, sie gebrauchen zu müssen. Vielleicht ließ sich damit ja erklären, warum seine gewohnte Selbstbeherrschung so sehr gelitten hatte. Ein weiterer Grund war gewiss sein Zorn darüber, dass McQueen mit seinen Experten nicht einer Meinung war.
»Sie hat die nötigen Leistungen erbracht«, griff Saint-Just das Gespräch schließlich wieder auf, »aber ich fürchte, sie ist einfach zu gefährlich geworden, als dass wir sie weiter agieren lassen dürften. Jemand anders – jemand wie Theisman – kann an ihrer Stelle weitermachen, nachdem sie die Volksflotte auf den richtigen Weg gebracht hat. Bei jemandem wie Theisman brauchen wir uns nämlich keine Sorgen zu machen, dass er das Komitee stürzen wollen könnte.«
»Heißt das, der Bürger Vorsitzende und Sie haben beschlossen, McQueen zu entfernen?«
»Nein«, antwortete Saint-Just. »Bürger Pierre ist nicht davon überzeugt, dass sie eine Gefahr bedeutet. Genauer gesagt, meint er, wir könnten es uns nicht leisten, sie zu entfernen, weil sie uns derart gefährdet. Damit könnte er sogar Recht haben, aber das ist egal, denn er ist der Vorsitzende des Komitees – und damit mein Chef. Wenn er also sagt, wir warten ab, bis wir wissen, dass wir sie nicht mehr brauchen oder bis wir einen eindeutigen Beweis für eine Verschwörung gefunden haben, dann warten wir. Vor allem deshalb, weil Bukato mit ihr gehen muss, und die meisten höheren Admiralstabsoffiziere ebenfalls. Deshalb müssen wir uns völlig sicher sein, dass die Mantys tatsächlich auf dem Rückzug sind, bevor wir unsere Kommandospitze derart erschüttern. Andererseits denke ich, dass Eiserne Ration genau dort weitermacht, wo Skylla aufgehört hat, und dann haben wir den Beweis, dass wir uns nicht auf ein Schwert verlassen müssen, das scharf genug ist, um uns beim Fechten den Kopf abzusäbeln. Nicht wenn wir uns auch andere Schwerter aussuchen können. Und in diesem Fall erwarte ich von Bürger Pierre, dass er McQueens Liquidierung genehmigt.«
»Ich verstehe.« Gegen seinen Willen empfand Fontein Skrupel. Trotz all seiner Vorbehalte gegenüber McQueen hatte er doch so lange mit ihr zusammengearbeitet, dass ihn die Ankündigung, sie sei vielleicht in wenigen Monaten eine tote Frau, ins Mark traf.
»Ich möchte keine Wogen aufrühren«, fuhr Saint-Just fort. »Nicht jetzt, wo Eiserne Ration endlich beginnt, und ganz gewiss nicht, bevor Theisman hier eintrifft und wir die Zentralflotte an einen verlässlichen Offizier übertragen. Vor allem aber möchte ich alles vermeiden, woran sie erkennen könnte, dass ihr die Zeit ausgeht. Ich meine aber, wir sollten ein neues McQueen-Dossier anlegen, um das alte,
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