Honor Harrington 11. Wie Phoenix aus der Asche
Hypothesen, verfüge aber über nur sehr wenige fundierte Fakten.«
»Dessen bin ich mir bewusst, Esther«, sagte Saint-Just mit einer Leutseligkeit, die nichts Gutes bedeuten konnte. »Aber es steht doch wohl außer Frage, dass Kellet sich von diesen LACs hat überrumpeln lassen, oder?«
»Man könnte es so ausdrücken«, pflichtete McQueen ihm bei und bleckte die Zähne in einer Weise, dass auch ein sehr wohlwollender Beobachter ihre Mimik nicht hätte als Lächeln interpretieren können.
»Dann stimmt es also.« Saint-Just zuckte die Achseln. »Wir wissen seit Jahren, dass Manticore bessere LACs baut als wir, aber es sind und bleiben nun einmal LACs. Damit ist doch alles gesagt. Wenn die Umstände den Mantys nicht gestattet hätten, auf Gefechtsabstand heranzukommen, wären sie gewiss nie zur Bedrohung geworden.«
»Nicht die Umstände haben ihnen gestattet, sich auf Gefechtsabstand zu nähern, Bürger Minister«, entgegnete McQueen akzentuiert, »sondern Stealth-Systeme, die allem haushoch überlegen sind, was uns zur Verfügung steht. Diese Tarnvorrichtungen sind weit besser als alles, was an Bord von LACs Platz haben dürfte. Mit Hilfe dieser Stealth-Systeme konnten sie Bürgerin Admiral Kellet abfangen, bevor sie geortet wurden. Und kaum waren sie in Reichweite, setzten sie Energiewaffen ein, die jedem uns bekannten LAC-Strahler überlegen waren. Die Geschütze waren leistungsstark genug, um den Seitenschild eines Schlachtschiffs zu durchdringen.«
»Zweifellos haben sie sich ihrer Stealth-Systeme sehr effizient bedient«, räumte Saint-Just ein. Er grinste dabei andeutungsweise so kalt wie immer. »Doch wie ich schon sagte, wissen wir seit Jahren, dass die Mantys ihre LACs aufwerten und aufrüsten. Wie Sie selbst festgestellt haben, kann man unsere Ortungsdaten nicht gerade als verlässlich bezeichnen. Meine eigenen Experten sind zwar Zivilisten, aber die meisten von ihnen waren schon vor dem Harris-Attentat Fachberater des Schiffbauamts. Sie sind durchweg der Ansicht, dass die Energiedurchsatzwerte, die den Bordgrasern dieser LACs teilweise zugesprochen werden, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf fehlerhaften Daten beruhen.« McQueens Gesicht verhärtete sich, doch Saint-Just winkte beschwichtigend ab. »Niemand bestreitet, dass diese Bordwaffen von ›nie zuvor da gewesener Durchschlagskraft‹ sind – das steht außer Frage. Aber wir sprechen von Schlachtschiff-Seitenschilden, die auf kürzeste Distanz beschossen wurden; nicht aber von Wallschiffen oder meinetwegen auch Schlachtschiffen und Schlachtkreuzern, auf die über eine realistische Gefechtsentfernung hinweg gefeuert wird. Meine Fachleute führen nun an, es sei unmöglich, einen derart feuerstarken Graser in die Zelle eines Leichten Angriffsboots zu packen – jedenfalls keinen Graser, wie manche ihn den neuen manticoranischen LACs zusprechen. Es ist technisch nicht machbar, eine solche Waffe zusammen mit Antriebssystemen, einem Fusionskraftwerk und der von den LACs ebenfalls unter Beweis gestellten Raketenwerferkapazität in einen Rumpf von weniger als fünfzigtausend Tonnen unterzubringen.«
»Es wäre uns nicht möglich«, stimmte McQueen ihm zu. »Die Mantys bringen jedoch am laufenden Band technische Leistungen zustande, die wir nicht nachahmen können. Selbst unsere Raketenbehälter sind nicht so hoch entwickelt wie ihre. Wir holen ihren Vorsprung auf, indem wir größere Gondeln mit mehr und schwereren Raketen bauen, denn wir erreichen einfach nicht den gleichen Grad der Mikrominiaturisierung. Ich sehe keinen Grund anzunehmen, weshalb für LACs nicht das Gleiche gelten soll.«
»Und ich sehe keinen Grund anzunehmen, weshalb es automatisch so sein muss«, erwiderte Saint-Just im Ton eines Mannes, der schwer an sich halten muss, um sachlich zu bleiben. »Die LACs, die der Feind in Silesia eingesetzt hat – und übrigens noch immer dort einsetzt –, weisen durch nichts auf den gewaltigen Entwicklungssprung hin, der erforderlich wäre, um dermaßen kampfstarke LACs zu bauen, wie ein paar Offiziere sie beobachtet haben wollen. Gewiss sollte die Volksflotte vom Schlimmsten ausgehen und lieber zu pessimistisch sein als zu optimistisch, und es ist immer besser, den Gegner zu überschätzen als ihn zu unterschätzen. Auf unserer Ebene aber müssen wir solche Schlussfolgerungen hinterfragen und dürfen nicht vergessen, dass unsere Spezialisten nur Berater sind; die Entscheidungen fällen letztlich wir, und wir können uns
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