Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx

Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx

Titel: Honor Harrington 12. Die Raumkadettin von Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
Meister Tyes Training: Schwäche in Stärke verwandeln . Furcht trieb sie an, doch sie formte die Furcht, um ihre schmerzenden Arme zu kräftigen, anstatt sich von ihr einschüchtern zu lassen.
    Scharren, scharren. Sie hatte nicht mehr die nötige Kraft, um mit dem jämmerlichen Stück Schutt große Stücke aus der Wand zu lösen. Die Wand war nicht sonderlich hart, denn auch sie bestand aus nicht viel mehr als Schutt. Trotz des ausgefeilten Trainings unter Meister Tye hatte sie noch immer die schlanken Arme und Hände eines Mädchens, das gerade erst vierzehn geworden war.
    Na und?
    Sie konnte es sich ohnehin nicht leisten, viel Lärm zu machen. Ab und an hörte sie die gedämpften Stimmen ihrer Entführer gleich hinter der schweren Tür, die sie vor dem Eingang der »Zelle« angebracht hatten.
    Scharren, scharren. Schwäche in Stärke verwandeln.
    Die Wurzel sprengt den Fels. Wind und Wasser triumphieren über Stein.
    So hatte sie es gelernt. Von ihrem Vater ebenso wie von Meister Tye. Entscheide dich, was du willst, und dann geh es an wie fließendes Wasser. Sanft, weich, beharrlich. Unaufhaltsam.
    Scharren, scharren. Sie konnte nicht sagen, wie dick die Wand war – war es überhaupt eine Wand? Helen wusste nur, dass sie vielleicht einen endlosen kleinen Tunnel durch das Erdreich Terras grub.
    Ihre Entführer hatten ihr die Kapuze abgenommen, nachdem sie Helen an diesen seltsamen, beängstigenden Ort geschafft hatten. Nach wie vor befand sie sich irgendwo in Chicago, der Hauptstadt der Solaren Liga, so viel wusste sie. Doch wusste sie nicht genau wo, außer, dass sie noch immer im Alten Viertel zu sein glaubte. Chicago war eine gigantische Stadt, und das Alte Viertel war wie ein mesopotamisches Tell aus antiken Zeiten: eine Schicht halb zerfallener Ruinen über der anderen. Die Entführer hatten Helen tief unter die Erde gebracht, durch wirre, gewundene Gänge, deren Verlauf sie sich nicht hatte einprägen können.
    Scharren, scharren. Tu’s einfach. Fließendes Wasser bezwingt alles. Letztlich.
    Während sie scharrte, dachte sie manchmal an ihren Vater und mitunter auch an Meister Tye. Noch öfter aber dachte sie an ihre Mutter. Natürlich konnte sie sich nicht richtig an das Gesicht ihrer Mutter erinnern, nur an ihr Bild aus den Holowürfeln. Ihre Mutter war gefallen, da war Helen erst vier gewesen. Helen erinnerte sich noch genau – so lebhaft wie eh und je – an den Tag, an dem ihre Mutter starb. Helen hatte verängstigt auf dem Schoß ihres Vaters gesessen, während ihre Mutter die Flucht eines Geleitzugs deckte, der sich einer überwältigenden Übermacht havenitischer Kriegsschiffe gegenübersah. An jenem Tag hatte Helens Mutter sich für sie geopfert … und auch für ihren Vater.
    Scharren, scharren. Die Arbeit betäubte ihren Verstand und ihren Körper. Meistens dachte Helen an gar nichts. Sie rief sich stets einfach nur ein Bild vor Augen: das Bild ihrer Mutter, die posthum die Parliamentary Medal of Valour, die höchste Tapferkeitsauszeichnung, verliehen bekam – der Orden, den Vater überall, wo sie seither gewohnt hatten, am Ehrenplatz ihrer Wohnung aufgehängt hatte.
    Scharren, scharren. Sicher, Helen würde keinen Orden für das bekommen, was sie hier tat. Doch das machte ihr genauso wenig aus, wie es ihrer Mutter ausgemacht hätte.
    Scharren, scharren. Fließendes Wasser.
     
    Victor
     
    Als Victor Cachat die Gestalt erblickte, nach der er Ausschau hielt, überrollte ihn wieder eine Woge des Zweifels und der Unschlüssigkeit.
    Und der Angst.
    Das ist verrückt. Der beste Weg, mir unter Garantie den Ehrenplatz zu verschaffen – direkt vor dem Erschießungskommando.
    Die Ungewissheit bannte ihn mehr als eine Minute lang reglos auf den Fleck. Zum Glück war das schmuddelige Gasthaus so überfüllt und trüb beleuchtet, dass niemand seine Erstarrung bemerkte.
    Ganz gewiss merkte der Mann nichts davon, den er anstarrte. Victor brauchte nur wenige Sekunden, um zu dem Schluss zu gelangen, dass seine Zielperson bereits halb betrunken war. Sicher, der Mann an der Bar schwankte weder, noch lallte er, als er einige Worte mit dem Barkeeper wechselte. In dieser Hinsicht, wie auch in allen anderen Dingen, hatte Kevin Usher sich eisern in der Gewalt. Victor hatte Usher jedoch schon nüchtern gesehen – gelegentlich –, und glaubte nun, die typischen Anzeichen von Trunkenheit an ihm auszumachen.
    Letzen Endes war es diese Beobachtung, die Victor über seine Furcht hinweghalf.
    Wenn er mich denunziert,

Weitere Kostenlose Bücher