Honor Harrington 13. Ein neuer Krieg
kehrte Ackenheil zu seiner ersten Frage zurück.
»Mir verrät es zumindest«, sagte sie mit forscherer Stimme, wählend sie die Hand vom Ohr löste und ihr mangelndes Selbstvertrauen vergaß, »dass die Andys ihre verfügbaren Mittel grundlegend neu verteilt haben. Manchmal mache ich mir die Tatsache bewusst, Sir, dass die einzigen andermanischen Schiffe, von denen wir hören, die sind, die tatsächlich einen Piraten abfangen. Wahrscheinlich ist dort draußen für jedes Schiff, über das uns jemand informiert, ein halbes Dutzend weiterer Schiffe oder sogar noch mehr unterwegs, von denen wir noch nichts gehört haben.«
»Kein schlechter Gedanke«, murmelte Ackenheil.
»Was die Frage angeht, warum das Kaiserreich sich auf einmal solche Mühe mit den Piraten gibt«, fuhr Zahn mit leichtem Schulterzucken fort, die dunklen Augen in die Ferne gerichtet, »so fällt mir kein überzeugender Grund dafür ein, Skipper. Schließlich ist es nicht so, dass sie mit einem Mal überwältigende Verluste an Handelsschiffen erlitten hätten – jedenfalls haben wir davon nichts gehört. Ich habe die Geheimdienstmeldungen durchgesehen und mich davon überzeugt. Und selbst wenn sie plötzlich die Nase voll haben von Piraten und Freibeutern, weshalb Schlachtkreuzer einsetzen?«
»Warum nicht, wenn man sie hat?«, entgegnete Ackenheil, indem er mühelos in die Rolle des Advocattis Diaboli schlüpfte. »Irgendwo müssen die Besatzungen schließlich ihre Kampferfahrung herbekommen, und in letzter Zeit hat das Kaiserreich an keinem größeren Krieg teilgenommen. Aus diesem Grund hat die RMN vor dem Krieg ihre besten Crews und Captains hierher nach Silesia geschickt – Piratenbekämpfung als taktisches Mädchenpensionat.«
»Das könnte sogar einigen Sinn ergeben, Sir«, stimmte Zahn ihm zu. »Es fügt sich nur nicht in die alten Operationsmuster der Andermaner. Ich habe übrigens Tim gebeten, ein bisschen für mich nachzuforschen.«
Sie blickte Ackenheil fragend an, und er nickte. Sie war mit einem zivilen Experten verheiratet, der bei der Flottenoperativen Archivstelle im Marsh-System beschäftigt war. Commodore Tharwan, der Leiter der Dienststelle, hatte eine sehr hohe Meinung von ihm. Ackenheil gestand sich ein, dass er auch deshalb so großen Wert auf Lieutenant-Commander Zahns Meinung legte.
»Er sagt, dass die Andermaner den Informationen in der ONI-Datenbank zufolge niemals etwas Größeres als eine Schlachtkreuzerdivision zur Piratenbekämpfung abgestellt haben«, sagte sie. »Laut der Archivstelle haben sie dermaßen schwere Verbände nur dann zusammengestellt, wenn jemand wie Warnecke eine Schar von Piraten- oder Freibeuterschiffen um sich gesammelt hatte und in der Lage war, Angriffe auf Geschwaderebene zu führen.« Kopfschüttelnd wies sie auf die roten Icons auf ihrem Display. »In dem Gebiet, in dem sie heute operieren, ist nichts von diesem Kaliber vorgegangen, Skipper.«
»Wenn die Andermaner also von ihrer gewohnten Operationsweise abweichen und stärkere Verbände in den Kampf schicken, obwohl die Bedrohung nicht zugenommen hat, führt das wieder auf meine ursprüngliche Frage zurück«, sagte Ackenheil: »Was haben die Andys Ihrer Meinung nach vor?«
Zahn blickte schweigend in den Plot. Der Captain glaubte, dass sie das Display nicht einmal bewusst ansah, und spürte fast körperlich, wie angestrengt sie überlegte. Ob sie über die Rohdaten nachsann oder abwog, ob sie ihm ihre Gedanken nun verraten sollte oder nicht, konnte er nicht sagen, doch zwang er sich, geduldig abzuwarten, bis sie ihm wieder den Kopf zudrehte.
»Meine ehrliche Meinung, Sir,«, sagte sie ruhig, »lautet: Die Andys möchten uns wissen lassen, dass sie auf Dauer stärkere Verbände nach Silesia verlegen. Und ich glaube, wir sollen auch sehen, dass sie an der gesamten Peripherie unseres Patrouillengebiets aktiv vorgehen – gegen Piraten … im Augenblick …«
»Und warum sollen wir das sehen …?« Ackenheil wölbte eine Braue, während er ihr ins nüchterne Gesicht schaute, und sie atmete tief durch.
»Es ist nur so ein Gefühl, Skipper, und ich kann es mit keinem einzigen greifbaren Beweis untermauern, aber ich glaube, die Andermaner halten es für an der Zeit, ihre Ansprüche in der Konföderation durchzusetzen.«
Ackenheil hob auch noch die andere Braue; nicht etwa, dass er ihre Theorie zurückwies, sondern vor Erstaunen, dass ein so untergeordneter Offizier, Befähigung hin oder her, diesen Schluss gezogen hatte. Er hatte bereits
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