Honor Harrington 14. Honors Krieg
entgegnete Sternhafen, »jedoch nicht von Kapitän Gortz.«
Ravenheim musste sich zügeln, um sein Gegenüber nicht anzubrüllen. Leicht war es nicht. Das lag zu keinem geringen Teil daran, dass Ravenheim mit der Silesia-Politik seines Cousins grundsätzlich nicht einverstanden war. Trotz seiner hohen Geburt und seiner Leistungen war Chien-lu Anderman von Ravenheim kein besonders eitler Mensch. Andererseits jedoch sah er auch keinen Sinn darin, sich bescheidener zu geben als er war. Gleichwohl gehörte er nicht zu den Personen, die sich besondere Gedanken über das machen, was andere von ihnen halten, und sich sehr mit Fragen der Reputation und des ›Gesichts‹ beschäftigen.
Dennoch war er sich bewusst, dass der Kaiser ihn mehr wie einen Lieblingsbruder behandelte denn wie einen Cousin unter vielen, und nur sehr wenige Personen hatten im Andermanischen Kaiserreich so viel Einfluss auf Gustav XI. wie er. Alles aber hatte seine Grenzen, und sosehr er es versucht hatte, war es ihm doch nicht gelungen, dem Kaiser sein großes Abenteuer in der Konföderation auszureden.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hielt Ravenheim Gustavs XI. Entschlossenheit, die Grenzen des Kaiserreichs zu Silesia grundsätzlich zu schützen, für durchaus richtig. Im Gegensatz zum Sternenkönigreich von Manticore lag das Andermanische Kaiserreich räumlich nah genug an Silesia, um gelegentlich Grenzverletzungen durch silesianische Piraten und Freibeuter erdulden zu müssen. Diese Situation hatte sich verschlimmert (aber zugegeben nicht sehr), seit laufend gesetzlose Sternenschiffe in die Konföderation einsickerten, die einmal zur Volksflotte von Haven gehört hatten. Letzteres war, wenn man unbedingt so wollte, zumindest indirekt die Schuld der Manticoraner, denn erst ihr Krieg gegen Haven hatte zu den Desertionen geführt. Und welche Bedeutung die Instabilität in der Konföderation für die Handelsflotte des Sternenkönigreichs auch haben mochte: Die Sicherheit des manticoranischen Hoheitsraums oder seiner Bürger wurde dadurch weder direkt noch indirekt bedroht. Dass Manticore sich unter diesen Umständen seit langem anmaßte, dem Andermanischen Reich zu diktieren, wie es sich in Silesia zu verhalten habe, erklärte ohne weiteres die tief sitzenden, manticorefeindlichen Vorurteile von Frontveteranen wie Sternhafen. Was das anging, so war auch Ravenheim längst nicht immun gegen den gleichen brennenden Zorn, wenn ein neues Beispiel manticoranischer Überheblichkeit die Flammen anfachte.
Dennoch war das jetzige Vorgehen des Kaiserreichs der falsche Weg, um die Missstände zu beheben. Ravenheim hatte heftige Einwände erhoben gegen die Politik, den Druck auf Manticore stetig zu erhöhen. Nicht etwa, weil er der Einschätzung des Kaiserlichen Geheimdienstes misstraute, derzufolge die Regierung High Ridge grundsätzlich kein Rückgrat habe, sondern weil jeder Provokation das gefährliche Potenzial innewohnte, sich zu verselbständigen und zu einer kriegerischen Handlung auszuarten. Es wäre weitaus besser gewesen, hatte er angeführt, wenn das Ministerium des Auswärtigen dem Sternenkönigreich amtlich mitgeteilt hätte, dass der Kaiser nunmehr seine legitimen Sicherheitsinteressen gegen Silesia durchsetzen wolle. Der Kaiser hätte ganz offen vorgehen müssen. Er hätte High Ridge eine Wahlmöglichkeit einräumen und den Gefallen einfordern sollen, den Manticore dem Kaiserreich schuldete, denn während des Kriegs gegen Haven hatte die andermanische ›Neutralität‹ stets das Sternenkönigreich bevorzugt. Und wenn Manticore sich weigerte, die Schuld einzulösen, dann konnte man noch immer militärisch gegen das Sternenkönigreich vorgehen, offen und geradeheraus.
Doch der Kaiser war anderem Rat gefolgt. Andere Berater hatten Gustav überzeugt, dass man einen rückgratlosen Premierminister wie High Ridge durch hinreichenden Druck dazu bringen könnte, alle Schiffe aus Silesia zurückzuziehen; zugleich würde man auf diese Weise der konföderierten Regierung nahe legen, dass Widerstand gegen die Forderungen des Kaisers … unklug wäre. Und solange keine offenen Forderungen an Manticore gestellt wurden, verringerte sich die Gefahr sehr, High Ridge irrtümlich in eine Position zu drängen, in der ihm die öffentliche Meinung eine harte Antwort abverlangte. Und nachdem schließlich Botschafter von Kaiserfest von seinen Gesprächen mit Außenminister Giancola berichtet hatte, war dies für die Fraktion, die dem Kaiser dazu riet, den Druck in
Weitere Kostenlose Bücher