Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
dass die Diplomaten hinter geschlossenen Luken vor Prinz Michael katzbuckelten und sich auf höchst kriecherische Weise verneigten. Auf jeden Fall wirkte Midshipman Winton, wenn er von diesen Begegnungen zurückkehrte, noch distanzierter und verschlossener als sonst.
Dass Winton seine Speichellecker zu den diplomatischen Besprechungen nicht mitnehmen konnte, war mehr oder minder das einzig Gute an diesen Treffen, fand Carlie, doch noch mehr als sein kleines Gefolge unterstrichen sie, dass Michael Winton anders war als jeder andere in der Kadettenkammer. Zum Teufel, er unterschied sich von jedem anderen an Bord der Intransigent .
Wie anders Michael Winton war, hatte Carlie bei Commander Bonieces letztem Dinner begriffen. Wie viele der besseren Kommandanten in der Navy lud Boniece regelmäßig mehrere seiner Offiziere zum Abendessen. An diesem besonderen Abend waren sowohl Carlie als auch Michael anwesend, und Carlie hatte ihren Schützling genau – und nicht allzu offensichtlich, wie sie hoffte – im Auge behalten.
Der Abend verlief zunächst glatt. Midshipman Winton redete nur, wenn man das Wort an ihn richtete, und jede Frage beantwortete er intelligent. Carlie hatte schon angefangen zu überlegen, ob Michael vielleicht doch nicht so hochnäsig sein mochte, wie sie glaubte.
Dann fand das Essen seinen Abschluss, und Wein für den traditionellen Toast auf die Königin wurde eingeschenkt. Als jüngster anwesender Offizier fiel Midshipman Winton die Pflicht zu, den Trinkspruch auszubringen.
Dazu benötigte er keine Extraeinladung. Carlie hatte es auch nicht anders erwartet. Sie hatte mit vielen anderen Offizieren, die sie kannte, über diesen Anlass Geschichten ausgetauscht, und alles war sich einig, dass dieser erste Schritt ins Rampenlicht vor jenen, die zum ersten Mal Gleichgestellte waren und nicht mehr jene erlauchten Anderen, die man als Offiziere kannte, in jeder Laufbahn ein prägendes Ereignis darstellte.
Indem er sein Glas genau in die richtige Höhe hob, sagte Michael Winton mit klarer, tragender Stimme: »Ladys und Gentlemen, auf die Königin!«
»Auf die Königin!«, erklang die Antwort.
Carlie hatte das Glas an die Lippen gehoben und dahinter einen Blick auf ihren Schützling verborgen. Michael Winton hatte sich wieder gesetzt, aber er trank nicht vom ausgezeichneten Wein des Captains der Intrasigent . Vielmehr grinste er – da war sich Carlie ganz sicher – höhnisch.
Lieutenant Carlotta Dunsinane, loyaler Offizier der Navv und damit der Königin ergeben, der sie diente, war erschüttert bis ins Mark. Ihr Schock musste sich auf ihrem Gesicht gezeigt haben, denn der Signaloffizier der Intransigent , Tab Tilson, beugte sich zu ihr.
»Alles okay mit dir, Carlie?«
»Schon gut«, brachte sie hervor. »Ich habe nur etwas Wein in den falschen Hals bekommen.«
Tab nickte beruhigt und wandte sich ab, um eine Frage zu beantworten, die Commander Boniece ihm gestellt hatte. Als Carlie den Blick wieder auf Mr Winton richtete, unterhielt sich der Prinz höflich mit seinem Nachbarn, und seine Miene war so korrekt wie den ganzen Abend über.
Carlie aber wusste, was sie gesehen hatte, und erneut bezweifelte sie bis in die Tiefe ihres Herzens, ob der Prinz sich jemals von seiner Position der Macht und des Privilegs genügend lösen könnte, um ein Leben, das zum Dienen bestimmt war, zu führen, wie es Herz und Seele jedes echten Raumoffiziers war.
Michael konnte nicht sagen, ob er seine Kadettenfahrt überleben würde. Nicht nur die Arbeit machte ihm zu schaffen, obwohl er im Stillen seine Belastung mit der seiner Kameraden verglichen hatte und nun sicher wusste, dass er sich nicht nur einbildete, Lieutenant Dunsinane lege ihm mehr auf die Schultern als irgendeinem der anderen elf Middys.
Ihn störte auch nicht sonderlich, dass die Hälfte seiner angeblichen Freizeit von den Besprechungen der Diplomaten aufgefressen wurde, Besprechungen, die ihm unnötig erschienen, weil seine Aufgabe einzig und allein darin bestand, sich sehen, aber nichts – wie Mr Lawler immer wieder betonte – von sich hören zu lassen.
Es war die Isolation, die ihn umbrachte.
Michael wohnte nun seit fünfzehn Tagen in einer Schlafkammer, die mit sechs doppelstöckigen Kojen voll gestopft war, und in jeder dieser Kojen lag ein Kadett, aber trotzdem hatte er noch mit niemandem ein anständiges Gespräch geführt – nicht einmal mit denjenigen, die er auf Saganami Island zu seinen Freunden gezählt
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