Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
hätte.
Michael war kein Dummkopf. Er hatte mit dieser Situation gerechnet. Man brauchte eine gewisse Zeit, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen, dass man mit jemandem im gleichen Zimmer schlief, der, wenn er von seiner Schwester erzählte, von der Königin redete. Michael und sein erster Stubengenosse auf Saganami Island hatten sich wochenlang steif und förmlich benommen, doch dann hatte sich Sam so weit an den Gedanken gewöhnt, mit jemandem das Quartier zu teilen, der dem Königshaus angehörte, dass Michael nicht mehr das Gefühl hatte, er mache der Krone Schande, wenn er in Unterhosen herumlief.
Sam und er waren nie Freunde geworden, aber gute Bekannte. Vielleicht mit der Hilfe von ein bisschen Distanz hatte Michael seine besten Freundschaften mit den Kadetten geschlossen, die nicht mit ihm das Zimmer zu teilen brauchten. Unter diesen ragte Todd Liatt hervor, der diese letzte Kluft überwunden hatte und später Michaels Stubengenosse geworden war.
Was hätte Michael nicht dafür gegeben, Toddy in der Nähe zu haben! Sein psychischer Radar hätte schon herausgebracht, wieso Lieutenant Dunsinane Michael niemals ansah, ohne dass ihre Miene so hart wurde wie ein Schott aus Armoplast. Nur war Todd eben nicht hier, und Michael wollte gar nicht darüber nachdenken, was Lieutenant Dunsinane von ihm halten würde, wenn sie ihn dabei ertappte, wie er den öffentlich zugänglichen Teil ihrer Dienstakte einsah. Es war nur zu offensichtlich, dass sie schon jetzt keine allzu hohe Meinung von ihm hatte.
Michael hätte sich am liebsten selbst die eine Seite des Rumpfes hinauf und auf der anderen wieder hinuntergekickt, als er das Gesicht des Zwoten Taktischen Offiziers bei Commander Bonieces Abendgesellschaft sah. Er hatte ein solches Hochgefühl empfunden, den Toast hinter sich gebracht zu haben, dass seine Gedanken abschweiften und er sich daran erinnerte, wie Beth ihn während seines letzten Urlaubs mit diesem ach so erderschütternden Ereignis aufgezogen hatte.
»Und vergiss nicht, dass du einen Toast auf die Königin auszubringen hast«, hatte sie ihn eines Morgens streng ermahnt, als sie sehr formlos miteinander frühstückten. »Du bist jetzt mein Offizier, nicht wahr?«
Michael hatte eine unwiderstehliche Gelegenheit erkannt und ergriffen.
»Lasst mich üben, Eure Majestät«, sagte er, stand auf, nahm das Tablett mit dem frisch getoasteten Brot und schüttete es ihr über den Kopf.
Beth quietschte auf, als wären sie beide wieder Kinder, und hatte begonnen, mit Toast nach ihm zu werfen; Ariel, ihr Baumkater, hatte sich mit großer Begeisterung in das Spiel gestürzt. Der Tumult hatte Justin von seiner schläfrigen Lektüre der Morgenzeitung aufgeschreckt und Königinmutter Angelique veranlasst, in würdeloser Hast ins Zimmer zu eilen.
Die Erinnerung an Beths Reaktion hatte ein Lächeln auf Michaels Lippen gelockt, ein Lächeln, das er augenblicklich zu unterdrücken versucht hatte, denn es wäre bei dieser höchst feierlichen Gelegenheit höchst unpassend erschienen. Leider hatte er sein Spiegelbild auf der polierten Servierplatte gesehen und entdeckt, dass das unterdrückte Lächeln noch schlimmer ausschaute als jedes offene Grinsen.
Zu gern hätte er mit Lieutenant Dunsinane gesprochen, um ihr den Vorfall zu erklären, aber er fand einfach nicht die richtige Gelegenheit. Mit dem 2TO zu sprechen war viel schwieriger als mit der Vertrauensdozentin. Commander Shrake schien Michael wenigstens als menschliches Wesen zu betrachten, Lieutenant Dunsinane hingegen konnte anscheinend nicht über den Prinzen hinausblicken, und was Michael auch tat, es machte sie nur steifer und schroffer.
Er wusste, dass er niemand anderen bitten konnte, mit ihr zu sprechen, obwohl er versucht war, Lieutenant Tilson darum zu bitten, den Signaloffizier des Schiffes. Wann immer sie einander begegneten, gab sich der Signaloffizier sehr geschäftsmäßig, als glaube er, Michael sei mehr daran interessiert, seine Aufgaben zu erlernen als anderen Menschen ins Gedächtnis zu rufen, er sei der kleine Bruder der Königin.
Doch obwohl Michaels vorläufige Spezialisierung auf das Signalwesen ihn regelmäßig in Lieutenant Tilsons Abteilung führte, konnte Michael mit dem Signaloffizier nicht über seine Probleme mit Lieutenant Dunsinane sprechen. Es wäre falsch gewesen. Michael besaß die grimmige Loyalität der Wintons, und er wollte auf keinen Fall die Autorität des Offiziers untergraben, der für die Kadettenkammer verantwortlich war,
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