Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
Volksflotte unter Generalverdacht, besonders aber Offiziere wie Chin, die ihr Patent noch unter dem alten Legislaturistenregime erhalten hatten.
Im Lichte des Putsches erschien es umso verdächtiger, dass drei Tage, bevor die Neuigkeiten eintrafen, der ihr zugeteilte Volkskommissar ermordet aufgefunden worden war … So zufällig die zeitliche Übereinstimmung auch war, das Timing hätte nicht ungünstiger sein können – gelinde gesagt!
Ausgerechnet den Manticoranern verdankte Chin ihr Leben. Die Ironie war an sie keineswegs verschwendet. Hätte die Achte Flotte des Sternenkönigreichs nicht ausgerechnet zeitgleich mit McQueens Umsturzversuch ihren furchteinflößenden Sturmlauf durch die Volksrepublik Haven begonnen, hätte die Systemsicherheit vermutlich entschieden, Chins Kampfverband prophylaktisch zu vernichten. Nun jedoch saß Oscar Saint-Just tief in der Klemme und war bei seinen Überlegungen vermutlich zu dem Ergebnis gekommen, er könne es sich einfach nicht leisten, irgendeinen Teil der Flotte zu verlieren, den er nicht unbedingt opfern müsse.
So jedenfalls der Tenor der Nachricht, die Saint-Justs handverlesener Henker den beiden SyS-Superdreadnoughts unverzüglich hatte zustellen lassen.
Sie musterte das Holobild erneut. Vor meinem Eintreffen keine weiteren Aktionen gegen Volksflottenschiffe oder deren Besatzungen ergreifen. Militärische Lage bedenklich.
Seit die Nachricht von McQueens Putschversuch den fernen Sektorhauptplaneten La Martine vor drei Wochen erreicht hatte, war die Lage sehr angespannt gewesen. Die gesamte Volksflotte im Sektor stand zwar nicht dem Namen nach, aber effektiv unter Arrest; seit der letzten Woche auch das letzte Schiff, denn die Kommandanten der Superdreadnoughts hatten den Rückruf sämtlicher Patrouillen verlangt. Bewacht von zwei grimmigen SyS-Superdreadnoughts, befanden sich Genevieve Chin und ihre Leute in einer Art Untersuchungshaft, während alles darauf wartete, dass der neue junge Gefängnisdirektor eintraf.
»Wissen Sie irgendetwas über ihn, Yuri?«
Yuri Radamacher, der Volkskommissar Bürger Commodore Jean-Pierre Ogilves, löste sich von der Tür. »Persönlich – nein. Allerdings habe ich diesen Datenchip in Jamkas Unterkunft gefunden. Darauf ist eine persönliche Mitteilung von Saint-Just.«
Ogilve erstarrte. »Den haben Sie mitgenommen? Um Gottes willen, Yuri …«
Radamacher winkte ab. »Entspannen Sie sich, ja? Jetzt, wo Jamka tot ist, bin ich der ranghöchste SyS-Offizier in diesem Kampfverband – im ganzen Sektor sogar, auch wenn die Captains der beiden Superdreadnoughts meinem erlauchten Rang keinerlei Bedeutung zumessen wollen. Dass ich Jamkas Quartier durchsucht hatte, nachdem seine Leiche entdeckt worden war, wird niemanden misstrauisch machen. Im Gegenteil, ich wäre in Verdacht geraten, wenn ich darauf verzichtet hätte.«
Er zog einen Chip aus der Tasche. »Was das angeht …« Er zuckte mit den Achseln. »Ich muss ihn natürlich zerstören. Ich kann ihn nicht zurücklegen, ohne zu viele Spuren zu hinterlassen. Ich glaube aber nicht, dass sein Fehlen bemerkt wird, selbst wenn Saint-Just daran denkt, sich danach zu erkundigen.« Radamacher verzog das Gesicht. »Jamka war nicht nur ein Dreckskerl, und wenn sich jemand mehr als zehn Prozent der Chips ansieht, die überall in seinem Quartier herumliegen, wird er merken …«
Er hob wieder die Achseln. »Wir wissen alle, dass er selbst für einen Perversen noch abartig war. Soll Saint-Justs helläugiger Knabe« – mit dem Chip wies er auf das Holobild – »doch ein wenig in dem Dreck rumwühlen. Ich glaube nicht, dass er sich dann noch über eine fehlende Privatnachricht von seinem Oberboss Gedanken macht.«
Radamacher schob den Chip in den Holobetrachter. Nach einem Augenblick wurde das Bild des SyS-Offiziers von einem anderen ersetzt. Zufällig zeigte es den gleichen Menschen, doch diesmal nicht in formeller Pose. Was abgespielt wurde, war die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen dem Offizier und Saint-Just persönlich, das offenbar erst vor kurzer Zeit im Büro Saint-Justs aufgenommen worden war.
»Eines muss ich dem Jungen lassen«, brummte Radamacher. »Er ist zwar ein hundertprozentiger Systemsicherheitler, aber er scheint nicht aus dem gleichen Loch wie Jamka gekrochen zu sein. Schauen Sie.«
Gebannt beugte sich Bürgerin Admiral Chin näher. Die Tonqualität war genauso hoch wie die des Bildmaterials – wenig überraschend, denn in seinem Büro würde Saint-Just nur das
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