Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
sehr darum bemüht war, die Beschädigung von Durkheims Ruf weitmöglichst in Grenzen zu halten.«
Saint-Just schnaubte milde, was sehr gut zu seinem sanften Auftreten passte.
»Das können Sie laut sagen. Wenn ich diesen Bericht für bare Münze nehmen würde, müsste ich denken, dass Raphael Durkheim auf Terra einen brillanten Geheimdienstcoup geplant und ausgeführt habe – bei dem er leider sein Leben verloren hat, weil er zu großen körperlichen Mut bewies.«
Erneut das leise Schauben. Eigentlich mehr ein Schniefen. »Wie es sich jedoch fügt, kannte ich Durkheim persönlich recht gut, und ich kann Ihnen versichern, dass der Mann weder brillant war noch auch nur ein Quäntchen mehr Mut besaß als das für seine Arbeit unerlässliche Mindestmaß.« Seine Stimme wurde ein wenig schroff. »Also erklären Sie mir bitte, was wirklich vorgefallen ist.«
»Was wirklich vorgefallen ist? Durkheim hat sich an einem Plan versucht, der ein bisschen zu clever war, und als er schief ging, mussten wir anderen – vor allem Bürger Major Gironde und ich – zusehen, dass uns nicht alles um die Ohren flog.« Er versteifte sich leicht. »Wobei wir, wenn ich das so sagen darf, wirklich gute Arbeit geleistet haben.«
»Wenn ich das so sagen darf«, äffte Saint-Just ihn nach, doch in seiner Stimme lag kein allzu starker Sarkasmus. »Junger Mann, ich gestatte allen meinen Offizieren, die Wahrheit zu sagen, vorausgesetzt, sie tun es im Dienste des Staates.« Er schob das Dossier einige Zentimeter von sich fort. »Und das, muss ich sagen, tun Sie in diesem Fall wohl. Ich nehme an, Gironde und Sie haben persönlich dafür gesorgt, dass Durkheim unter die Räder geriet?«
»Jawohl, Bürger Vorsitzender, das haben wir. Jemand mit Befehlsgewalt musste die Schuld auf sich nehmen – und dabei den Tod finden –, sonst wären einfach zu viele Fragen gestellt worden.«
Saint-Just starrte ihn an. »Und wer – ich möchte einen Namen hören – hat die Liquidation ausgeführt?«
Cachat zögerte nicht. »Ich, Bürger Vorsitzender. Ich habe Durkheim persönlich mit einer der Waffen erschossen, die wir von dem Manpower-Mordkommando erbeutet hatten. Dann habe ich die Leiche zu den anderen Verlusten gelegt.«
Erneut hielt Radamacher die Aufnahme. »Können Sie sich vorstellen, was für Nerven dieser Junge haben muss? Er hat gerade den Mord an seinem eigenen Vorgesetzten zugegeben – ohne eine Sekunde zu zögern. Gegenüber dem Direktor persönlich! Und – sehen Sie ihn sich an! Er steht seelenruhig vor ihm, als könnte ihm nichts geschehen!«
Chin konnte Radamachers Einschätzung nicht ganz zustimmen. Das Bild Cachats erweckte bei ihr einen völlig anderen Eindruck als den von Seelenruhe. Nur … Cachat war sich seiner rechtschaffenen Linientreue absolut gewiss. Sie konnte sich eines Schauderns nicht erwehren. Genauso wäre vielleicht ein eifernder Inquisitor vor die Inquisition getreten, völlig gelassen in der Gewissheit der Erlösung, die ihm bevorstand. Die Geisteshaltung des Fanatikers: Tötet sie alle und lasst Gott sie richten – ich mache mir keine Gedanken, ob ich in der Gnade des Herrn stehe .
Radamacher setzte die Wiedergabe fort.
Etwa zwanzig Sekunden lang herrschte Schweigen in dem Raum, währenddessen Saint-Just den jungen Offizier, der noch immer vor ihm strammstand, forschend anstarrte; die Wächter hatten die Hände an den Griffen ihrer Handpulser.
Dann lachte Saint-Just unvermittelt trocken auf. »Erinnern Sie mich daran, den Leiter der Akademie zu seinem Scharfblick zu gratulieren. Sehr gut, Bürger Lieutenant Cachat.«
Die Entspannung war beinahe körperlich spürbar. Die Posten nahmen die Hände von den Waffengriffen, Saint-Just lehnte sich ein wenig zurück – und sogar Cachat lockerte seine steife Haltung etwas.
Saint-Justs Finger trommelten kurz auf dem Aktendeckel, dann schob er das Dossier an den Rand des Schreibtischs.
»Wir betrachten die Angelegenheit als erledigt. Schließlich hat sich alles zum Guten gewendet. Erstaunlich gut sogar, bedenkt man, dass Sie Ihre Vorgehensweise improvisieren mussten. Was Durkheim angeht, so werde ich mir keine schlaflosen Nächte bereiten wegen eines Offiziers, der durch eigenen Ehrgeiz und eigene Dummheit den Tod gefunden hat. Ganz gewiss nicht, während wir in einer Krise wie der gegenwärtigen sind. Und nun, Bürger Captain Cachat – jawohl, Sie sind befördert –, habe ich einen neuen Einsatz für Sie.«
Zu
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