Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
der Pinasse nur deshalb nicht ungläubig an, weil ihr Entsetzen zu tief saß, als dass sie überhaupt etwas empfinden konnte. Aus dem Hintergrund hörte sie Gefechtsmeldungen und das Tuten von Vorrangalarmen, doch seine Stimme mit der aufreizenden aristokratischen Sprachmelodie klang so ruhig wie eh und je.
»Einen Gegner ha'm wir vernichtet, aber wenigstens zwo sin' in der Lage, uns in den Hyperraum zu folgen«, fuhr er vor. »Wenn sie so dumm sin', getrennt zu transistier'n, müssten wir sie mit Leichtigkeit nacheinander fertig machen können, aber wenn sie zusammen bleiben, dann wird's natürlich ein bisschen vertrackter. Wie auch immer, wir holen Sie und Ihre Leute so bald ab, wie wir können.
Inzwischen seien Sie sich aber gewahr, dass uns wenigstens ein feindlicher Schwerer Kreuzer nicht folgen kann. Da sie sich zu einem Angriff auf uns entschieden ha'm, ohne mit uns kämpfen zu müssen, nehme ich an, dass sie hier im Tiberian-System irgendwas treiben, das sie um jeden Preis geheim halten woll'n. Wenn ich da richtig liege, würde ich sagen, dass der Kreuzer, der uns nicht folgen kann, sich um Sie kümmern wird. Ich kann Ihnen von hier aus keinen Rat geben, Ms Hearns. Bis wir zurückkommen, sin' Sie auf sich gestellt. Weichen Sie dem Gegner möglichst aus, aber vermeiden Sie um jeden Preis einen Kontakt mit den Refugianern. Unsre Aufgabe besteht darin, diese Menschen zu schützen, nicht, sie in die Position zu bringen, wo sie Feuer auf sich ziehen.
Viel Glück, Ms Hearns. Oversteegen aus.«
Der Bildschirm erlosch, und Abigail holte tief Luft. Als der Sauerstoff ihre Lungen füllte, war ihr, als habe sie seit einer Stunde nicht mehr geatmet.
Sie erhob sich und blieb in Chief Palmers Abteil stehen. Allmählich nahm ihr Gehirn die Arbeit wieder auf.
Das Signal des Captains war über fünfzehn Minuten alt, weil die Pinasse überlichtschnelle Sendungen nicht empfangen konnte. Daher lag es durchaus im Rahmen des Denkbaren, dass Captain Oversteegen und die gesamte Besatzung der Gauntlet bereits tot waren.
Nein. Sie schob den Gedanken fest beiseite. Wenn dem so war, dann konnte nichts, was sie und ihre Leute unternahmen, um dem Feind auszuweichen, am Ende Erfolg haben. Stimmte es aber nicht, und sie ließ sich von der Möglichkeit lähmen, dann verschwand auch die kleine Überlebenschance, die sie noch hatten.
Sie straffte die Schultern und trat ins Cockpit hinaus.
»Haben Sie gehört, P. O. Hoskins?«, fragte sie die Pilotin.
»Jawohl, Ma'am.« Der weibliche Petty Officer sah Abigail über die Schulter hinweg an, das Gesicht angespannt. »Kann nicht behaupten, dass es mir gefallen hat.«
»Mir geht es nicht anders«, versicherte Abigail ihr. »Aber es sieht ganz so aus, als könnten wir nichts ändern.«
»Wie Sie meinen, Ma'am.« Hoskins zögerte, dann fragte sie: »Was machen wir nun, Ma'am?«
»Nun, eines werden wir ganz bestimmt sein lassen: Wir werden nicht versuchen, im Weltall vor einem Schweren Kreuzer davonzulaufen, P.O.«, entgegnete Abigail und überraschte sich mit einem Lächeln, das eine Spur echter Belustigung enthielt. »Jedes echte Kriegsschiff könnte uns ohne größere Mühe einholen, und vor der Ortung können wir uns nicht verstecken. Ganz zu schweigen davon, dass es wahrscheinlich mindestens ein Dutzend Beiboote an Bord hat, die es aussetzen könnte, um uns zu suchen.«
»Das ist wohl leider wahr, Ma'am«, stimmte Hoskins ihr zu, obwohl ihr Zweifel anzumerken waren. »Wenn wir ihnen im All nicht ausweichen können, wie können wir dann hoffen, am Boden zu entkommen?«
»Refuge hat einige recht unwirtliche Ecken, P.O.«, antwortete Abigail. »Und wir haben Sergeant Gutierrez' sehr gut ausgebildete Marines an Bord, die uns helfen werden, uns dort zu verstecken. Natürlich wäre es am besten, wenn wir sie überzeugen könnten, gar nicht erst nach uns zu suchen, nicht wahr?«
»O ja, Ma'am«, sagte Hoskins inbrünstig.
»Nun, dann schauen wir doch mal, ob wir das schaffen.«
»Sind Sie sich da ganz sicher, Ma'am?«, fragte Sergeant Gutierrez sie ruhig, und Abigail lächelte säuerlich. Wenigstens stellte der turmhoch aufragende Unteroffizier ihr diese Frage in der größtmöglichen Abgeschiedenheit, welche das enge Innere einer Pinasse bieten konnte. Leider änderte dies nichts an der Tatsache, dass er von ihrem Plan offenbar alles andere als überwältigt war.
So weit man von einem Plan sprechen konnte.
»Wenn Sie mich fragen, ob ich mir sicher bin, dass er
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