Honor Harrington 15. Die Spione von Sphinx
sich ein Gefecht als eigenartig unwirklich, ein wenig wie ein sehr übler Albtraum, in dem sich alles ohne die geringste Vorwarnung andauernd ändert.
Michaels erster Auftrag bestand in der Reparatur einer Gruppe von Relais eines Impelleremitters, die angefangen hatten, sich zu überhitzen. Offensichtlich machte O'Donnel seine Arbeit am Trägheitskompensator gut, überlegte Michael, denn die Aronsstab kroch nicht länger dahin. Er bezweifelte, ob sie selbst während eines Einsatzes als Freibeuterschiff jemals derart beansprucht worden war.
Chief Lome wurde zum Lazarett abkommandiert, kaum dass Michael erfuhr, dass er zum Sanitäter ausgebildet worden war, bevor er auf Steuermann umsattelte. Bislang hatten die Schwestern großes Glück gehabt, dessen war sich Michael bewusst. Die Ängstlichsten waren mittlerweile zwar betäubt worden, doch war während der Flucht noch niemand ernstlich verletzt worden. Noch nicht. Allerdings hatte die Aronsstab auch noch keinen Treffer erhalten.
Während Lome im Lazarett eingesetzt wurde und O'Donnel sich um den Trägheitskompensator kümmerte, fand sich Petty Officer Parello, Lomes Copilot, auf dem Geschützdeck wieder und befasste sich mit einer störrischen Laserlafette. Infolgedessen waren die vier Manticoraner zwar über das ganze Schiff verteilt, standen durch ihre Comgeräte jedoch in ständigem Kontakt.
Weil Rangbezeichnungen fehlten und die Frauen sich nur mit ihrem Vornamen vorstellten, stellte sich fast augenblicklich eine vertrauliche Atmosphäre ein, und wäre Zaneta ihm nicht auf Schritt und Tritt gefolgt, so hätte sich Michael fast akzeptiert gefühlt. Doch kurze Zeit später verstaute sie ihre Waffe in der Pistolentasche und reichte ihm kommentarlos Kabel und Werkzeuge an.
Dann erschütterte ein Raketeneinschlag die Aronsstab . Michael erstarrte und wartete auf Renas Bericht.
»Heckfrachtraum unter Vakuum«, sagte sie abgehackt. »Abteilung dicht. Mr Winton, brauchen Sie noch etwas von Ihrer Pinasse?«
Sie hatten bereits die Erste-Hilfe-Koffer, die Raumanzüge und alles andere aus den Vorratsschränken des Beiboots geholt, was nach Michaels Ansicht vielleicht nützlich sein konnte.
»Nein, nichts, Ma'am«, antwortete er.
Ein neues Zittern ging durch das Schiff, und diesmal erbleichte Rena.
»Einer der Laser wurde abgeschert. Wir haben zwei Schwestern aus der Bedienungscrew verloren. Teresa schafft Dara ins Lazarett.«
Michael erwartete, dorthin geschickt zu werden, doch Rena schenkte ihm nur ein trauriges Lächeln.
»Für ein abgeschertes Geschütz können wir nichts mehr tun. Teresa hat die Abteilung abgedichtet, und allzu viel Atemluft haben wir nicht verloren.«
Weitere Schadensmeldungen kamen herein. Michael fand sich im Maschinenleitstand wieder, wo er auf dem Bauch liegend Verkabelungen änderte, um einen zerstörten Schaltkreis zu umgehen. Sein Universum löste sich in kleine Schwierigkeiten auf, von denen jede außerordentlich wichtig war, so lange sie bestand, nur um augenblicklich von einem anderen Problem abgelöst zu werden, weil immer wieder überbeanspruchte Systeme unter der Last zusammenbrachen, die ihre zerstörten Nachbarn nicht mehr tragen konnten.
Michael fragte sich, weshalb die Intransigent sie nicht besser schützte, dann entdeckte er zu seinem Entsetzen, dass sie tatsächlich den Großteil des Beschusses auf sich zog. Er hatte vergessen, wie verwundbar veraltete Handelsschiffe waren. Vergessen, falls er es je wirklich gewusst hatte …
Und der Albtraum ging weiter.
Als sie einmal von ihren eigenen Pflichten aufblicken konnte, empfand Judith ungetrübte Bewunderung für das, was der Intransigent für sie tat. Der Leichte Kreuzer hielt den Sprüche mit anscheinend kaum etwas anderem als ihrer Gegenwart auf Abstand. Der Psalter war vorbeigeschlüpft, doch nur wenige der Raketen, die Gideon Templeton erbarmungslos auf das Schiff abfeuerte, in dem sich seine Mutter, seine Stiefmütter und sogar einige seiner Kinder befanden, drangen durch.
Judith erinnerte sich an die simulierten Lektionen und tat ihres Bestes, um den Impellerkeil des Kreuzers zwischen dem Aronsstab und dem einkommenden Beschuss zu halten. Sie war sich vollkommen im Klaren, dass sie sich auf dieses Manöver längst nicht so gut verstand wie eine ausgebildete Rudergängerin, und sie wusste auch, dass sie wegen ihrer Unerfahrenheit das Kaperschiff nicht mit dem Selbstbewusstsein auf die Seite rollen konnte, das erforderlich war, um den eigenen
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