Honor Harrington 17. Um jeden Preis
Wortführer. Vielmehr scheinen sie ganz mit ihm einverstanden zu sein. Wenig überraschend, nachdem sie sich mehr oder weniger selbst für ihre augenblickliche Mission nominiert hatten.
»In welcher Weise genau, Mylord?«, erkundigte sich der Reverend nach einem Augenblick in noch immer mildem Ton.
»Reverend, Ihnen ist offenbar bekannt, dass Gutsherrin Harrington sich geweigert hat, die Vaterschaft ihres Kindes offenzulegen«, sagte Mueller. »Wie Sie ohne Zweifel ebenfalls wissen, ist die Gutsherrin unverheiratet. Daher fürchte ich sehr, dass ihr Sohn – der Sohn, wie ich sie erinnern darf, der die Schwester Lady Harringtons in der Erbfolge ihres Guts ersetzen müsste – illegitim ist. Um nicht um den heißen Brei herumzureden, Reverend, der Junge wird nicht bloß ein Bastard sein, sondern ein Bastard, dessen Vater vollkommen unbekannt ist.«
»Ich darf darauf hinweisen«, fuhr Sullivan friedlich fort, »dass die manticoranischen Bräuche sich ein wenig von unseren unterscheiden. Insbesondere kennt das manticoranische Gesetz das Konzept der Unehelichkeit überhaupt nicht. Ich glaube, einer ihrer geachtetsten Juristen sagte einmal, es gebe keine illegitimen Kinder, sondern nur illegitime Eltern. Ich persönlich muss sagen, dass ich ihm darin zustimme.«
»Wir reden nicht vom manticoranischen Gesetz, Reverend«, erwiderte Mueller tonlos. »Wir sprechen vom Gesetz Graysons. Von Lady Harringtons Pflicht als Gutsherrin, das Konklave der Gutsherren von der Geburt eines Erben ihres Gutes zu informieren. Über den Umstand, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hat, den Vater dieses Jungen zu heiraten oder uns auch nur zu informieren, wer der Vater ist!« Er schüttelte den Kopf. »So groß die Dienste auch sind, die sie Grayson erwiesen hat, ich glaube, wir haben triftigen Grund, besorgt zu sein, nachdem sie vorsätzlich die Gesetze unseres Planeten und der Vaterkirche missachtet.«
»Verzeihen Sie, Mylord, aber wodurch genau soll sie das getan haben?«
Wenigstens drei Sekunden lang blickte Mueller das Oberhaupt der Kirche konsterniert an. Dann fasste er sich.
»Reverend, wie Sie bestimmt genau wissen, bin ich als Gutsherr gesetzlich verpflichtet, das Konklave von der bevorstehenden Geburt jedwedes Erben meines Gutes zu unterrichten. Ich muss außerdem beweisen, dass der fragliche Erbe mein leibliches Kind und legitimer Erbe meines Titels und meiner Pflichten ist. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass Lady Harrington, nur weil sie nicht auf Grayson geboren ist, auf irgendeine Weise der Obliegenheiten entbunden ist, die für jeden anderen Gutsherrn gelten?«
An Muellers Gebaren war deutlich zu merken, dass er sehr hoffte, Sullivan könnte solch ein Argument anführen. Wie sein Vater vor ihm – allerdings, ohne bisher die Grenze zum Verrat überschritten zu haben ( zumindest, soweit irgendjemand weiß , wies sich Sullivan zurecht) – hatte Travis Mueller seine natürliche Heimat in der Opposition gefunden. Und in den Augen der Opposition repräsentierte Honor Harrington alles, was sie an der ›Säkularisierung‹ ihrer Gesellschaft durch die ›Mayhew-Restauration‹ verabscheuten. Auf der Zunge eines Oppositionellen war die unangreifbare Position, die sich die Gutsherrin von Harrington in den Herzen der allermeisten Graysons errungen hatte, ein Geschmack so bitter wie Galle, und Sullivan konnte fast physisch den Eifer spüren, mit dem sie einer Gelegenheit entgegenhechelten, Honor Harrington zu diskreditieren.
Nicht dass der unerquicklich großen Anzahl von Personen, die das Gleiche schon vorher versucht haben, dabei irgendwelches Glück beschieden gewesen wäre , überlegte er.
»Zunächst, Mylord«, sagte er schließlich, »rate ich Ihnen, einen guten Verfassungsexperten hinzuzuziehen, denn Sie scheinen einer falschen Vorstellung aufgesessen zu sein. Als Gutsherr haben Sie die Pflicht, mich als den Statthalter der Vaterkirche zu unterrichten, und den Protector als Vorkämpfer und Beschützer der Vaterkirche in allen weltlichen Angelegenheiten auf Grayson. Dem Konklave als Ganzem hingegen brauchen Sie eine bevorstehende Geburt nicht anzuzeigen.«
Mueller riss zuerst die Augen auf, dann kniff er sie zusammen und lief leicht rot an.
»Ich gebe Ihnen recht, Mylord«, fuhr Sullivan ungerührt fort, »dass traditionell das Konklave als solches ebenfalls benachrichtigt wird. Die Pflicht des Konklaves, die Erbfolge zu untersuchen und zu begutachten, beginnt jedoch erst nach der Geburt des betreffenden
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