Honor Harrington 17. Um jeden Preis
als Gutsherrin von Harrington kein Recht hast, die gleichen Risiken einzugehen wie als einfache Honor Harrington, genauso wenig wie Hamish und du hier im Sternenkönigreich nach der Schmutzkampagne vom letzten Jahr eure Gefühle füreinander offen zeigen könnt. Trotzdem meine ich, ihr geht beide wegen eurer Gefühle, die keiner von euch sich gewünscht hat, härter mit euch ins Gericht, als die meisten anderen Menschen es täten.«
»Du bist eine bemerkenswerte Frau, Emily Alexander«, sagte Honor nach einem Augenblick. »Ich begreife ganz genau, weshalb dich Hamish so liebt.« Sie berührte die ältere Frau sanft an der Wange. »Und ich habe so viel Verständnis von dir nicht verdient.«
»Du verstehst nicht gut zu beurteilen, was du verdienst, Honor«, erwiderte Emily. »Aber«, fuhr sie lebhafter fort, »warum gehen wir nicht in den Wintergarten, ehe wir ganz in Rührseligkeit zergehen?« Sie grinste schalkhaft. »Wenn wir uns beeilen, sind wir verschwunden, ehe Colonel LaFollet zurückkommt, und dann wollen wir mal schauen, wie lange er braucht, um dich wiederzufinden. Wäre das kein Spaß?«
5
»Sir, Colonel Nesbitt ist zu seinem Drei-Uhr-Termin erschienen.«
»Hm?« Außenminister Arnold Giancola blickte verwundert von der Korrespondenz auf seinem Display hoch. Ein, zwei Sekunden lang sah er seine Sekretärin nur an, dann blinzelte er. »Entschuldigen Sie, Alicia. Was haben Sie gesagt?«
Alicia Hampton widerstand der Versuchung, in zugeneigter Verzweiflung den Kopf zu schütteln. Arnold Giancola war der bei weitem angenehmste Vorgesetzte, den sie je gehabt hatte. Er stand im Ruf des Ehrgeizes, zu Recht, wie sie glaubte, aber er war jederzeit höflich zu seinen Untergebenen, charismatisch und im Allgemeinen rücksichtsvoll. Während sich die interstellare diplomatische Lage verdüsterte, war er allerdings zunehmend geistesabwesender geworden. Er arbeitete zu schwer und ließ die Sicherungssysteme seines Büros ständig eingeschaltet, damit er sicher sein konnte, dass niemand ihn bei der Arbeit störte. Dadurch aber vergaß er umso mehr.
»Ich sagte, Colonel Nesbitt ist zu seinem Drei-Uhr-Termin gekommen, Sir«, wiederholte sie.
»Ach?« Giancola runzelte die Stirn. »Ach! Nesbitt. Ich hatte ihn völlig vergessen. Bitten Sie ihn herein, Alicia!«
»Gern, Sir.« Hampton lächelte ihn an und kehrte ins Vorzimmer zurück.
»Der Minister lässt bitten, Colonel«, sagte sie zu dem hochgewachsenen, breitschultrigen Mann mit den grauen Augen, der Zivilkleidung trug.
»Danke«, sagte Nesbitt und schob das Lesegerät in die Tasche, mit dem er sich befasst hatte, während er auf seinen Termin wartete.
»Ach, Colonel«, sagte Hampton leise, als er an ihr vorbeigehen wollte, »vergessen Sie bitte nicht, dass der Minister sehr beschäftigt ist. In fünfundzwanzig Minuten hat er schon den nächsten Termin.« Nesbitt sah sie fragend an, und sie lächelte entschuldigend. »In den letzten Tagen war er noch geistesabwesender und vergesslicher als sonst. Er hat den Termin ganz bestimmt vergessen, und ich möchte Sie nicht unterbrechen, ehe Sie fertig sind, wenn ich den nächsten Besucher anmelde.«
»Aha, ich verstehe.« Nesbitts fragender Gesichtsausdruck verschwand, und er erwiderte ihr Lächeln. »Ich versuche ihn beim Thema zu halten, Ms Hampton. Er hat Glück, dass jemand wie Sie sich um ihn kümmert.«
»Wir geben uns alle Mühe, Colonel«, sagte Alicia. »Es wäre einfacher, wenn er sich nicht so hart antreiben würde.«
Nesbitt lächelte ihr mitfühlend zu und ging an ihr vorbei ins Büro. Er warf einen beiläufigen Blick auf sein Armbandchrono, während sich die Tür hinter ihm schloss, und sah zufrieden die grüne Anzeige auf dem Zifferblatt. Das kleine Gerät war nicht havenitischen, sondern solarischen Fabrikats, und es bestätigte, dass Giancolas Sicherungssysteme allesamt aktiviert und funktionstüchtig waren.
»Minister«, sagte er und näherte sich über den dicken Teppich dem guten halben Hektar Schreibtisch, hinter dem Giancola saß.
»Jean-Claude«, sagte Giancola in einem forschen, sachlichen Ton, der überhaupt nicht zu der Fassade der Versunkenheit passte, die er seinen Untergebenen so behutsam vorspielte – und anderen. »Kommen Sie herein. Nehmen Sie Platz. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Ich weiß.« Nesbitt setzte sich auf den bequemen Sessel, den der Außenminister ihm anbot, und schlug die Beine übereinander. »Ihre charmante Sekretärin macht sich Sorgen um Sie,
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