Honor Harrington 17. Um jeden Preis
Danielle Abrioux hingegen äußerst zierlich und feingliedrig. Wie Usher hatte sie dem Widerstand angehört, ehe sie zur FIA kam, und wenn sie wie ein mageres braunhaariges Kind aussah, so deswegen, weil der äußere Anschein eben tauschen kann. Sie war ein sehr gefährliches ›Kind‹, was die Seelen eines guten Dutzends ermordeter InAb- und SyS-Beamter – und erheblich mehr derzeitige Gäste des havenitischen Strafvollzugs – aus eigener Anschauung hätten bezeugen können. Im Augenblick hockte sie auf der Kante von Ushers Schreibtisch und schlürfte Kaffee; ein weiterer Kaffeebecher stand auf seiner Schreibunterlage, denn Abrioux gehörte zum engen, vertrauten Kreis seiner Ermittler. Sie kannte die Wahrheit hinter seiner angeblichen Trunksucht, und für ihn war es eine Wohltat, während ihrer Besprechungen die Maske einmal fallen lassen zu können.
»Chef«, sagte sie ein wenig leidend, »Sie wissen selber, was für einen verdrehten Humor Sie haben. Meine Güte, gucken Sie sich nur an, was Ginny und Victor Ihretwegen durchmachen müssen! Wenn Sie mich wegen so etwas rufen lassen, ja, dann wundere ich mich halt, ob Sie sehen wollen, ob ich Papa zu Ihnen sage, wenn Sie mich nur lange genug auf den Arm nehmen.«
»Mein Humor ist nicht im Geringsten verdreht«, entgegnete Usher mit gekränkter Würde. »Nur bei allen anderen. Aber in genau diesem Fall ist die Sache so ernst wie ein Herzanfall, Danny.«
»Mein Gott.« Abrioux senkte die Kaffeetasse, und ihr Lächeln verblasste. »Es knistert also wirklich im Gebälk?«
»Allerdings, mir wäre es verdammt lieb, wenn ich herumalbern würde.«
Abrioux zog sich der Magen zu einem Klumpen gefrorenen Bleis zusammen. Sie stellte die Kaffeetasse ab und schob die Untertasse weg.
»Damit es nur klar ist, Kevin«, sagte sie sehr ruhig. »Sie wollen wirklich sagen, Sie glauben, dass wir nicht deshalb wieder im Krieg gegen Manticore sind, weil die Mantys unsere diplomatischen Noten abgeändert haben, sondern weil wir es waren?«
»Ja.« Ushers wie immer tiefe Stimme klang wie ein Schotterbrecher, und er atmete tief durch. »Ich sage nicht, dass es wirklich geschehen ist, aber ich fürchte, ich halte es für möglich, Danny.«
»Und warum?«, fragte sie.
»Zum Teil wegen Wilhelm Trajans Berichten.« Usher kippte mit seinem Schwebesessel nach hinten. »Wir haben eine ganze Menge unserer besten Kanäle verloren, als wir Saint-Justs Organisation zerschlugen, aber Wilhelm besitzt noch immer ein paar gute Quellen im Foreign Office der Mantys. Nicht so hochgestellt wie früher, aber hoch genug, um Zugriff auf Interna zu erhalten, wie sie Unterstaatssekretären zu Ohren kommen. Und demzufolge ist bei den Mantys jeder – wirklich jeder, von ganz oben bis ganz unten – davon überzeugt, dass wir es waren.«
»Das muss nicht unbedingt etwas heißen«, erwiderte Abrioux. »Eine solche Operation durchzuführen hätte sehr strenge Sicherheitsvorkehrungen erfordert. Außerdem wäre sie von der Regierung High Ridge durchgeführt worden und nicht der augenblicklichen. Folglich wäre jeder, der damit zu tun hatte, mittlerweile sowieso nicht mehr im Amt.«
»Das stimmt zwar, aber bei den Leuten, die so völlig überzeugt sind, dass wir schmutzige Finger haben, handelt es sich um die Nachfolger von High Ridges Spießgesellen. Aller Tratsch aus Wilhelms Quellen beweist vor allem ihre umfassende Verachtung für ihre unmittelbaren Vorgänger. Wenn auch nur die leiseste Möglichkeit bestände, dass jemand vom High-Ridge-Haufen verantwortlich wäre, dann hätte das längst schon jemand entdeckt. Sie wissen so gut wie ich, wie schnell Verschwörungstheorien sich verbreiten, Danny. Zusammengenommen mit der blinden Wut, die die meisten Manticoraner auf jeden empfinden, der auch nur entfernt mit der Regierung High Ridge zu tun hatte, hätte sich irgend so ein Verschwörungsfan garantiert auf solch eine Möglichkeit gestürzt, und wenn sie nur als fiebrige Großstadtlegende in der Kaffeepause aufgetaucht wäre. Aber niemand hat auch nur ein Wort darüber fallenlassen. Kein einziges.«
»Hmmm …« Abrioux zupfte sich an der Unterlippe und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber ich muss schon sagen, Chef, es klingt ganz schön fadenscheinig.«
»Ich sagte ja, das ist mit ein Grund«, erinnerte Usher sie. »Es gibt noch andere Faktoren – Anzeichen könnte man sie nennen. Eines davon ist, wie gut ich die Beteiligten auf unserer Seite kenne.«
»Chef, ich kann Giancola selber auf den Tod
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