Honor Harrington 17. Um jeden Preis
Wenn ich Eloise um Zugriff auf die diplomatische Korrespondenz gebeten hätte, dann hätte ich ihr sagen müssen, was ich damit will. Sie traut mir wahrscheinlich – und misstraut Giancola – so weit, um mir den Zugriff zu gewähren. Aber dann muss sie offiziell wahrnehmen, was ich vermute. Gibt sie mir also still und heimlich Zugriff, den ich ohne Wissen und Genehmigung des Außenministeriums oder die Aufsicht durch den Kongress, den die Verfassung verlangt, nicht haben dürfte, oder weist sie LePic an, eine ausgewachsene verdeckte Ermittlung in die Wege zu leiten? Und was geschieht, falls das Gerücht durchsickert, einer unserer Minister könnte einen komplett gefälschten diplomatischen Schriftverkehr mit dem Sternenkönigreich gefälscht haben, der uns bewog, die Kampfhandlungen gegen Manticore wiederaufzunehmen? Zuallermindest wäre die Regierung Pritchart am Ende, und danach würde es höchstwahrscheinlich abwärts gehen. Im Augenblick wissen nur zwo Personen, was ich vermute, und wir sind beide in meinem Büro. Solange ich Eloise nichts Definitives vorlegen kann, ist diese Untersuchung komplett inoffiziell, nicht anerkannt und absolut verdeckt. Haben wir uns da auch wirklich verstanden?«
»Jawohl, Sir«, sagte Abrioux ungewöhnlich förmlich. Ushers harte Augen hielten ihren Blick für einige Sekunden, dann verzog er zufrieden das Gesicht.
»Ich wollte mich gar nicht so aufbauen«, sagte er, »aber wir können es uns im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, dass irgendetwas hiervon an die Öffentlichkeit gelangt, ehe wir alle Zweifel sorgsam ausgeräumt haben.«
»Wie ich sehe, haben Sie Ihr Talent fürs Understatement noch nicht verloren, Chef«, erwiderte Abrioux trocken. »Aber Sie wollten doch irgendetwas über die manticoranischen Authentifizierungen sagen?«
»Ich wollte gerade sagen: der Umstand, dass die Depeschen echte manticoranische Authentifizierungen trugen, bekräftigt meinen ursprünglichen Verdacht.«
Abrioux sah ihn verwirrt an, und er lachte leise. Es war ein bemerkenswert humorloser Laut.
»Es gibt vieles, was ich offiziell gar nicht wissen dürfte, Danny«, sagte er. »Insbesondere waren die Präsidentin – und der Kongress – bemerkenswert eindeutig, was die gusseiserne Trennwand angeht, die sie zwischen unseren inneren Polizeibehörden und den Spionageaktivitäten errichten wollten. Man kann es ihnen kaum verübeln, man braucht sich nur die entsetzlichen Beispiele von InAb und SyS anzusehen. Und prinzipiell stimme ich ihnen auch rundheraus zu. Deshalb bin ich so sehr darauf bedacht, die Beachtung dieser Trennwand als Normalfall zu etablieren. Wer immer nach mir auf meinem Stuhl sitzt, wird sich daran halten müssen, und das ist richtig so. Doch da uns die Systemsicherheit solch ein verflochtenes Erbe hinterlassen hat, ist es so gut wie unmöglich, solche sauberen Trennlinien jetzt schon zu ziehen. Deshalb habe ich meine inoffiziellen und persönlichen Fühler so weit ausgestreckt wie möglich, und dabei bin ich über ein interessantes Stückchen Information gestolpert.«
»Nämlich?«, fragte Abrioux ein wenig gereizt, als er innehielt.
»Nämlich dass es der SyS, kurz bevor der Bürger Vorsitzende Saint-Just einen unglücklichen Zusammenstoß mit einem Pulserbolzen hatte, gelungen war, den Schlüssel des manticoranischen Foreign Office an sich zu bringen. Nicht den Schlüssel der Außenministerin, aber den Schlüssel des Ministeriums.«
»Sie machen Scherze!«
»Nein, mache ich nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nur raten, weil ich auf die kompletten Akten der Operation keinen Zugriff habe, aber ich vermute, dass die SyS schon Jahre zuvor jemanden auf Descroix angesetzt hatte. Gott weiß war sie verdreht genug, um es sogar wissentlich zu gestatten, weil sie glaubte, sie könnte dadurch Vorteile erlangen. New Kiev ist zwar eine Idiotin, aber eine Idiotin mit Prinzipien, und ich bezweifle, dass sich jemand tief genug in ihr Vertrauen einschleichen konnte, um den notwendigen Zugang zu erhalten. Aber als High Ridge sein Kabinett nach der Annahme des Waffenstillstands rotierte, konnte der Agent, den die SyS bei Descroix eingeschleust hatte, ihr eine physische Kopie des Schlüssels verschaffen.«
»Und das war dann der aktuelle Schlüssel«, sagte Abrioux.
»Richtig. Als Descroix von New Kiev übernahm, wurde der Schlüssel geändert. Wenn Giancola die richtigen Kontakte besitzt, kann er herausgefunden haben, dass wir den Schlüssel hatten. Sie wissen, dass wir
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