Honor Harrington 5. Im Exil
Kommentar war durchaus berechtigt gewesen. In der letzten Simulation hatte sich die Kampfgruppe 14.2, Theismans Kommando aus zwölf Schlachtschiffen plus Abschirmeinheiten, tadellos geschlagen. Bürger Admiral Chernovs KG 14.3 hatte sämtliche Befehle leider vollständig mißverstanden. Chernov war bei der simulierten Annäherung an Masada ganz übel vom geplanten Anmarschvektor abgekommen, und die Schiedscomputer hatten geurteilt, es sei den graysonitischen Schlachtkreuzern, die Endicott beschützten, gelungen, KG 14.3 abzufangen. Die Graysons hatten von Chernovs Geleitschiffen schwere Verluste einstecken müssen, diese Verluste waren jedoch nicht gravierend genug gewesen, um sie daran zu hindern, beide Truppentransporter Chernovs und vier der fünf Waffenfrachter zu vernichten.
Theisman seufzte. Die Vorstellung, einen Planeten voller religiöser Fanatiker mit Waffen zu beliefern, stimmte ihn alles andere als fröhlich – und er wußte aus eigener Erfahrung, wozu die Masadaner in der Lage waren. Wenn er es jedoch schon tun mußte, dann wollte er es auch richtig tun. Ohne Zweifel erhielt Chernov im Moment von Thurston und Preznikov eine dicke Zigarre, dabei war das Desaster gar nicht wirklich die Schuld des Kampfgruppenchefs gewesen. Selbst Theisman hätte nicht geglaubt, daß die Operation sich als derart kompliziert erweisen würde. Zum Beispiel hatten weder er noch Chernov gewußt, daß der gesamte Kampfverband zunächst als Einheit im Jelzin-System eintreffen sollte, bevor die Endicott-Abteilung abkommandiert wurde. Und sie hatten es beide aus einem ganz einfachen Grund nicht wissen können: Es war einfach nicht Bestandteil des ursprünglichen Plans gewesen. Theisman hielt die Änderung für ausgesprochen vernünftig – der Gedanke, den Kampfverband in zwei Teile zu spalten, die völlig unabhängig voneinander operierten, hatte ihm nie behagt –, aber wäre es nicht nett gewesen, ihn und die anderen Kampfgruppenchefs davon ein wenig früher zu informieren? Nun hatte das Manöver sie alle unnötig überrascht, und wen wunderte es dann, daß Chernovs Astrogation überlastet gewesen war.
Dennoch, beruhigte sich Theisman, bestand der Zweck einer Gefechtsübung darin herauszufinden, was schiefgehen konnte, um dann etwas dagegen zu unternehmen. Alle Schwierigkeiten fand man niemals. Man konnte nicht mehr tun, als den Operationsplan gegen alle Pannen abzusichern, von denen man wußte. Dann konnte man nur hoffen, daß die übrigen sich als nicht allzu schwerwiegend erweisen würden.
»Also gut«, sprach er zu seinem Stab, »wir hatten einen kleinen Unfall. So etwas kommt vor. Wichtig ist zu verhindern, daß so etwas ein zwotes Mal passiert, also befassen wir uns nun mit unseren Bewegungsbefehlen. Die morgige Simulation ist die letzte, die wir haben werden, Herrschaften. In fünf Tagen müssen wir alles auf Anhieb richtig machen, oder wir bekommen es mit etwas zu tun, das weitaus übler ist als ein paar Datenbits in einem Computer, okay?«
»Richtig, Bürger Admiral«, sagte LePic fest, und die Flaggspezialisten nickten.
»Dann wollen wir uns zunächst mit dem allgemeinen operativen Schema befassen, Megan«, wandte Theisman sich an seine Operationschefin. »Ich möchte sehen, ob wir Bürger Admiral Chernovs Kampfgruppe nicht von Anfang an ein wenig fester mit unseren Einheiten integrieren können. Wenn er an unserem Signalnetz teilgenommen hätte, dann hätten wir nämlich bemerkt, daß er vom Kurs abkam, bevor wir im Jelzin-System in den Hyperraum gingen.«
»Jawohl, Bürger Admiral«, antwortete der weibliche Operationsoffizier und rief die entsprechenden Dateien auf. »Um genau zu sein, Bürger Admiral, bin ich der Meinung, wir sollten folgendes tun …«
Thomas Theisman lehnte sich zurück und hörte seinem Stab zu, wie er sich in das Problem verbiß. Er hoffte nur, daß sich Jelzins Stern als wirklich so entblößt erweisen würde, wie Thurstons Geheimdienstprognosen verhießen. Denn wenn es anders war und sie nicht noch erheblich mehr Fehlerquellen eliminierten, bevor sie dort ankamen, wußte Gott allein, wie das Unternehmen Dolch tatsächlich enden würde.
24
Samuel Mueller musterte das archaisch anmutende Pergament auf seiner Schreibunterlage mit einem finsteren Blick. Die altmodische, gestelzte Juristensprache der Einberufung war ihm gut vertraut – bis auf den letzten Satz, den kein lebender Gutsherr je zu Gesicht bekommen hatte. Nach der alten Verfassung besaß Mayhew das Recht, diesen Satz
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