Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
dunkle Betriebsleuchten.
»Was mag das wohl sein?« fragte Warnecke bemüht ungezwungen, aber seiner Stimme war deutlich die Anspannung anzumerken, und die Leibwächter hoben augenblicklich die Waffen.
»Etwas viel Gefährlicheres als ein Schrapnellgewehr, Mr. Warnecke«, antwortete Honor kühl. »Ein Fernzünder. Wenn ich ihn einschalte, mache ich damit die Sprengladung scharf. Sie wird explodieren, wenn ich nicht mindestens alle fünf Minuten den richtigen Code in den Ziffernblock gebe.«
»Davon ist nie die Rede gewesen!« rief Warnecke beinahe wütend. Während Honor daraufhin lachte, fauchte Nimitz. Der Laut verursachte dem Piratenanführer eine Gänsehaut, so wie das Zerspringen einer gefrorenen Schwertklinge, aber Honors Augen blickten noch kälter.
»Nein, ist es nicht. Aber Sie haben keine andere Wahl als einzuwilligen, nicht wahr? Jetzt sind Sie einmal hier oben, Mr. Warnecke. Sie können mich und meine drei Offiziere töten, und Sie können sämtliche Städte des Planeten in die Luft jagen. Aber diese Ladung ist immer noch da draußen und kann von meinem Schiff aus gezündet werden. Also sind Sie zehn Sekunden nach uns tot.« Er verzog den Mund, und nun lächelte Honor spöttisch. »Geben Sie sich einen Ruck, Mr. Warnecke! Sie haben Ihre Schrapnellgewehre, und wir tragen, ganz wie vereinbart, nicht einmal Raumanzüge. Sie können uns jederzeit erschießen oder den Shuttle unter Vakuum setzen. Ich kann nichts weiter tun als mich zu töten – wobei ich Sie natürlich mitnehme. Mir will es wie ein annehmbares Gleichgewicht der Kräfte vorkommen.«
Warneckes Augen flackerten, aber dann zwang er sich zu einem Ausdruck der Gelassenheit.
»Sie sind klüger als ich annahm, Captain«, stellte er im gewohnten glatten Ton fest.
»Sie haben doch nicht wirklich angenommen, ich könnte Lichtgeschwindigkeit und Signalverzögerung außer acht lassen, oder?« entgegnete Honor. »Wir sind überein gekommen, zehn Minuten vor Erreichen der Hypergrenze mit dem Shuttle abzulegen – wodurch die Selbstzerstörungsladung jedoch zwölf Minuten Signalzeit von den Sendern meines Schiffs entfernt wäre. Aber das spielt keine Rolle mehr, wenn sich der Sender gleich hier im Shuttle befindet, oder?«
»Und woher soll ich wissen, daß sich darin keine Waffe verbirgt?« erkundigte Warnecke sich leichthin. »Schließlich bietet das Gehäuse mehr als genug Raum für einen kleinen Pulser.«
»Sie haben doch sicher einen Leistungsspürer greifbar. Überprüfen Sie das Gehäuse.«
»Eine ausgezeichnete Idee. Harrison?«
Der Pilot blickte Honor drohend an, dann öffnete er ein Gerätefach, nahm einen kleinen Spürer heraus und fuhr damit über das Kästchen, das sie ihm hinhielt.
»Nun?« fragte Warnecke.
»Nichts«, grunzte Harrison. »Nur eine Zehn-Volt-Energiequelle. Für einen Kurzstreckensender reichlich Energie, aber viel zuwenig Saft für einen Pulser.«
»Bitte vergeben Sie mir mein Mißtrauen, Captain«, sagte Warnecke undeutlich und nickte Harrison dankend zu. »Ich darf selbstverständlich davon ausgehen, daß Sie ansonsten keine weitere Waffe mit an Bord gebracht haben?«
»Ich habe nur mitgebracht, was Sie sehen können«, antwortete Honor vollkommen aufrichtig. »Was andere Waffen angeht …« Sie reichte das Kästchen an LaFollet weiter, setzte Nimitz auf einen Sitz, öffnete die Uniformjacke, schälte sich heraus und drehte sich in der weißen Stehbundbluse auf dem Fleck. »Sehen Sie? Kein As im Ärmel.«
»Würde es Ihnen viel ausmachen, sich die Stiefel auszuziehen?« bat Warnecke höflich. »Im Laufe der Jahre habe ich viel Garstiges zu Gesicht bekommen, das sich in der Stiefelstulpe verbarg.«
»Wenn Sie darauf bestehen.« Gehorsam schlüpfte Honor aus den Stiefeln und reichte sie dem Piloten, der sie mürrisch, aber sorgfältig untersuchte und ihr schließlich vor die Füße warf.
»Sauber«, knurrte er. Honor beantwortete sein finsteres Starren mit einem spöttischen Grinsen, dann setzte sie sich neben Nimitz und zog die Stiefel wieder an. Sie legte die Uniformjacke an, schloß sie, nahm den Baumkater auf und setzte ihn sich auf die Schulter. Dann nahm sie von ihrem Waffenträger das Kästchen entgegen und ging ans entgegengesetzte Ende der Passagierkabine. Dort ließ sie sich auf einen bequemen Sitz nieder, legte sich das Gerät auf den Schoß und drückte den obersten Knopf. Eine der Betriebslampen leuchtete auf und strahlte in beständigem Bernsteingelb. Die beiden Leibwächter betrachteten Honor mit
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