Honor Harrington 6. Ehre unter Feinden
den N-Raum fliehen und die Boote kampfkräftig genug sind, um …«
»Sie sind nicht kampfkräftig genug, um gegenüber einem Schlachtkreuzer irgendeinen Unterschied auszumachen«, erwiderte Honor und gestand dadurch stillschweigend ein, was beide Frauen genau wußten. »Vernichtet werden die LACs auf jeden Fall, aber wenn ich sie Ihnen lasse, besitzen Sie wenigstens eine Rückendeckung, falls ein anderer Havie zufällig auf sie stößt.« Und gebe ihren Besatzungen eine Überlebenschance.
»Ich …« begann Fuchien und verstummte. »Natürlich haben Sie recht«, gab sie leise zu.
»Freut mich, daß wir uns einig sind.« Honor gestattete sich ein schmales Lächeln. »Das wäre wohl alles, und ich habe mich noch um vieles zu kümmern. Ich möchte nur noch einen letzten Wunsch an Sie richten, wenn ich darf.«
»Was immer Sie wollen, Mylady.«
»Halten Sie sich bitte bereit, einen Bericht für die Admiralität zu empfangen. Ich möchte den Ersten Raumlord wissen lassen, was wir erreicht haben, bevor …« Sie zuckte mit den Schultern.
»Aber selbstverständlich, Mylady. Ich übergebe den Bericht persönlich. Darauf haben Sie mein Wort.«
»Vielen Dank.« Honors Plot zeigte den Start der LACs aus den Hangars der unbeschädigten Steuerbordseite, dann tauchten die ersten Pinassen und Kutter auf, die auf die Artemis zuhielten. Die Shuttles des Liners starteten ebenfalls, um beim Transport der Menschen zu helfen, die dem Schicksal der Wayfarer entkommen sollten. Honor nickte zufrieden.
»Dann wollen wir mal, Captain Fuchien«, sagte sie leise und beendete die Verbindung.
Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit erfolgte die Verlegung der Leute von der Wayfarer zur Artemis , denn Zeit war überaus knapp. Trotz des Drucks gelang es Rafael Cardones und Scotty Tremaine, den Transporten eine drakonische Ordnung aufzuerlegen. Die Liste der Evakuierten, die Cardones auf Honors Befehl zusammengestellt hatte, war abgeschlossen und unabänderlich; wer nicht darauf stand, verließ das Schiff nicht.
Alle drei Assistenten John Kanehamas gingen, denn je mehr Astrogatoren die Artemis bei den verstohlenen Fluchtmanövern unterstützten, desto besser. Fred Cousins verließ mitsamt der kompletten Signalabteilung die Wayfarer , denn sobald das Q-Schiff sich von der Artemis getrennt hatte, gäbe es niemanden mehr, mit dem sie kommunizieren könnte. Harold Sukowski und Chris Hurlman gingen, ebenso alle gefangenen Offiziere der Vaubon . Hydroponikspezialisten, überzählige Sanitäter und alle Marines, die man nicht für Enterkommandos brauchte, verließen ebenfalls das Schiff. Versorgungsoffiziere und Lagerverwalter, Quartermeister und Schreibersmaaten, Personaloffiziere und Köche – jedes menschliche Wesen, das nicht im Gefecht oder für Reparaturen gebraucht würde, ging von Bord, und wenn sie auch erleichtert waren, verschont zu bleiben, so nagte doch an jedem ein Schuldgefühl, weil sie ihre Schiffskameraden zurückließen.
Doch nicht alle, die auf der Liste standen, gingen von Bord. Profos Thomas war tot, ebenso sein Stellvertreter, und kein Angehöriger der Bordpolizei kam auf den Gedanken, die Arrestzellen zu überprüfen. Randy Steilman, Jackson Coulter, Elizabeth Showforth, Ed Ilyushin und Al Stennis hatten Raumanzüge erhalten, als das Schiff gefechtsklar machte. Aber noch immer saßen sie in ihren Zellen im Herzen des Schiffes, wo man sicherer war als auf den meisten anderen Stationen, und Gefängnisraumanzüge hatten keine Funkgeräte – so daß niemand die Rufe der Gefangenen hörte, man möge sie doch freilassen.
Scotty Tremaine sollte zusammen mit Horace Harkness von Bord gehen, denn man benötigte keine Flugleitung, wenn alle LACs und bis auf zwei alle Pinassen fehlten. Andererseits beabsichtigten weder Harkness noch Tremaine, das Schiff zu verlassen, und an ihrer Stelle gingen ein Pinassenpilot und sein Bordmechaniker.
Auch Ginger Lewis sollte nicht an Bord bleiben, weil sie nur bedingt dienstfähig war, aber sie wußte, daß der LI jede verfügbare Hilfe brauchte, um die festgefahrenen Frachttore wieder in Bewegung zu setzen. Also ignorierte sie den Befehl, eine Pinasse zu besteigen, gab ihren Platz einem zweiundzwanzigjährigen Computertechniker, der auf seiner ersten Reise war, und begab sich mit kreidebleichem Gesicht in den Technischen Leitstand.
Yoshiro Tatsumi lehnte ebenfalls seine Fluchtchance ab. Eigentlich hätte er Dr. Holmes begleiten sollen, aber er tauschte heimlich mit einem anderen Sanitäter
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